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einwirken kann. Freilich, ein erfahrener Antiquar oder Bibliophile, der seit langen Jahren sich fortwährend mit den Schätzen der älteren Litteratur beschäftigte, würde unzweifelhaft geeigneter gewesen sein, aus der eigenen Praxis heraus dieses Buch zu schreiben; aber es hat sich bis jetzt noch keiner dieser Herren dazu veranlasst gesehen, ich habe vergebens in der deutschen Litteratur nach einem Buche gesucht, wie die Engländer und Franzosen deren verschiedene über die Bücherliebhaberei besitzen. So möge es denn einem Bibliographen, der dem modernen Buchhandel angehört, gestattet sein, den Versuch zur Ausfüllung dieser Lücke in der Litteratur zu machen.

Ein Lehrbuch" der Bücherliebhaberei zu schreiben, lag nicht in meiner Absicht; wer ein solches sucht, dem empfehle ich Ed. Rouveyre's „Connaissances nécessaires à un Bibliophile" 3. éd. Paris 1879, Octav, ein vortreffliches Buch, das nach allen Richtungen hin ausreichende Belehrung gewährt. Mich hat mehr der Wunsch geleitet, die Aufmerksamkeit in Buchhändler- und weiteren Kreisen bei uns darauf hinzulenken, in welcher Weise die Bücherliebhaberei in England und Frankreich betrieben wird, und zu einer ähnlichen Pflege bei uns eine Anregung zu geben.

Denn es fehlt in Deutschland keineswegs an reichen Leuten, die sich den Luxus der Bibliophilie oder Bibliomanie sehr wohl leisten können, dagegen fehlt es vollständig an Vereinigungen, welche sich die Förderung dieser Liebhaberei planmässig zur Aufgabe machen müssen, soll dieselbe sich gedeihlich

entwickeln. Es bestehen ja auch bei uns einige Vereine von Bücherfreunden, aber diese verfolgen ganz andere Zwecke als die Bibliophilen-Clubs in England und Frankreich.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, zu erörtern, wie ähnliche Gesellschaften auch in Deutschland ins Leben gerufen werden könnten, aber hinweisen darauf möchte ich doch, dass es keinen edleren Sport giebt, als die Bücherliebhaberei, und dass diese in dem Lande Gutenberg's eine grössere Pflege verdient, als ihr gegenwärtig zu Theil wird.

Sollte die Schrift eine gute Aufnahme finden und eine neue Auflage davon nöthig werden, so könnte der jetzt angeschlagene Ton einer leichten unterhaltenden Plauderei ernster vertieft, und dann noch manches hinzugefügt werden, was dem Leser vielleicht, ebenso wie mir selbst, wünschenswerth erscheint. Vorläufig aber mag der Fühler in seiner gegenwärtigen Gestalt einmal in die Welt hinausgehen und sehen, ob er einen für die Sache günstigen Boden findet.

Gr. Lichterfelde, 28. Februar 1896.

Otto Mühlbrecht.

Benutzte Werke.

Berjeau, J. Ph. Le Bibliophile illustré. Londres 1862. 8. Brockhaus, Conversat.-Lexikon. 14. Aufl. Leipzig 1892-96. Lex. 8. Brunet, Ch. Manuel du libraire. 5. ed. 5 vls. Paris 1878-80. 8. Brunet, G. Du prix des livres rares vers la fin du 19. siècle. Bordeaux 1895. 8.

Dibdin, Th. Fr. Bibliomania. New edition. London 1876. 8. Ebert, F. A. Allg. bibliograph. Lexikon. 2 Bde. Leipzig 1821-30. 4. Falkenstein, C. K. Geschichte der Buchdruckerkunst. 2. Aufl. Leipzig 1856. 8.

Fertiault, F. Les amoureux du livre. Paris 1877. 8.

Guigard, J. Armorial du bibliophile. 2 vls. Paris 1870-73. 4. Hain, L. Repertorium bibliographicum. 2 Bde. (4 Thle.) Stuttgart. 1826-28.

Jacob, P.L. (Paul Lacroix). Les amateurs de vieux livres. Paris 1880. 8. Jacob, P. L. Ma république. Paris s. d. 8.

Katalog der Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler. Leipzig 1885. 8.

(Kirchhoff, A.) Einleitung in die Bücherkunde. Leipzig 1855. 4. (Aus Rottner's Contorwissenschaft.)

Lalanne, L. Curiosités bibliographiques. Paris 1845. 8.

Lowndes, W. Th. Bibliographers manual. 6 vls. London 1857-64. 8. Martin, John. Bibliographical catalogue of privately printed books. 2. ed. London 1854. 8.

Meyer's Conversations-Lexikon. 5. Aufl. Leipzig 1893 u. Folge. Lex. 8. Mühlbrecht, Otto. Der holländische Buchhandel seit Coster. Leipzig 1867. 8.

Nodier, Ch. Bibliographie des fous. Paris 1835. 8.

Peignot, Gabr. Répertoire de bibliographies spéciales. Paris 1810. 8.
Petzholdt, Jul. Bibliotheca bibliographica. Leipzig 1866. 8.
Livres à clef. 2 vls. Bordeaux 1873. 8.
Livres perdues et exemplaires uniques. Bordeaux

Quérard, J. M.

Quérard, J. M. 1872. 8.

London 1895. 8.
London 1895. 8.

Roberts, W. The book-hunter in London.
Roberts, W. Rare books and their prizes.
Rouveyre, E. Connaissances nécessaire à un bibliophile. 3. ed.
Paris 1879. 8.

Stockbauer. Abbildungen von Mustereinbänden. Leipzig 1881. 4.
Téchener, J. et L. Histoire de la Bibliophilie. Paris 1862-64. Fol.
Thoinan, E. Les relieurs français 1500-1800. Paris 1893. 8.
Trömel, P. Bibliographische Privatdrucke. Dresden 1855. 8.
Uzanne, Oct. The book-hunter in Paris. London 1893. 8.
Willems, A. Les Elzevier. Histoire et annales typographiques.
Bruxelles 1880. 8.

Allgemeine Bücherliebhaberei.

Bücher haben keinen materiellen Handelswerth. Das ge

ringe Quantum bedruckten Papieres kann der Laie nur zum Zwecke des Einstampfens nach dem Gewicht für wenige Pfennige verwerthen. Aber wie ganz anders gestaltet sich der Werth eines Buches in der Hand des berufenen Kenners, und doch auch wieder wie unberechenbar! Hier zwei Beispiele dafür:

Perionius Dialogus, Paris 1554. 8. brachte in der

Auction Anisson du Perron (Paris 1805). Fr. 5,

dasselbe Buch wurde verkauft in der

Auction Brunet (Paris 1868) für. .

Baliverneries d'Eutrapel brachten in der Auction

Soubise (Paris 1788)

dasselbe Buch ergab in der Auction Brunet (Paris 1868)

1150,

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Wer mag solchen Thatsachen gegenüber noch von Bücherpreisen reden, von einem auch nur einigermaassen feststehenden Werthe der Druckerzeugnisse! Man kann nur constatiren, dass Bücher (ich rede nur von der älteren Litteratur) einen ganz idealen, von den verschiedensten inneren und äusseren Umständen abhängigen Werth haben, der sich gar nicht definiren lässt, weil er häufig von dem Reichthum und den Launen der Käufer bestimmt wird. Im Allgemeinen allerdings darf an

Die Bücherliebhaberei.

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genommen werden, dass Bücher um so höher im Preise steigen, je seltener sie werden. Aber was heisst „selten“?*)

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Dies Epitheton kann, im weiteren Sinne genommen, auf jedes Werk angewendet werden, das sich nicht leicht mehr im Buchhandel beschaffen lässt; also beinahe auf alle alten Bücher, besonders diejenigen, von denen nur eine Ausgabe veranstaltet wurde, die vergriffen ist. Aber so darf man den Begriff „selten" nicht auslegen, sonst würden viele Werke dadurch geehrt, deren Leser oder Interessenten noch viel seltener wären, als sich Exemplare davon auffinden lassen würden. Verdienen doch viele Bücher überhaupt nicht, dass sie jemals das Licht der Welt erblickt haben. Um die Auszeichnung ,selten" im bibliographischen Sinne zu verdienen, ist es nöthig, dass ein Buch, unabhängig von seinem seltenen Vorkommen im Handel, auch mehr oder weniger gesucht und begehrt, und in Folge dieses Umstandes mehr oder weniger werthvoll geworden ist. Diese Seltenheit hat aber auch ihre Abstufung, sie ist absolut oder relativ je nach den Umständen; absolut bei Büchern, von denen nur noch wenige Exemplare existiren, relativ, wenn die betreffenden Bücher wohl genügend in anderen Ländern, aber nicht in unserem Lande vorkommen, oder wenn die im Handel vorkommenden Exemplare, gleichviel ob in grosser oder kleiner Anzahl, für die Nachfrage danach nicht ausreichen. Es ergiebt sich hieraus, dass ein Buch sehr wohl ,,selten" sein kann, ohne deshalb werthvoll zu sein, wohingegen ein wirklich werthvolles Buch allemal zugleich selten sein dürfte. Sein Glück kann ein Buch bei den Bibliophilen nur durch das Zusammenwirken dieser beiden Vorbedingungen machen, begehrt sind von den Liebhabern nur wirklich seltene Bücher von reellem inneren oder äusseren Werthe. Der reelle innere Werth sollte wohl eigentlich allem Uebrigen vorangestellt werden, doch wie unendlich viele Ursachen giebt es daneben, den Werth eines Buches zu steigern oder herabzudrücken. Welch' einen langen Weg haben Bücher zurück zu

*) Vergl. Jacques-Charles Brunet, manuel du libraire et de l'amateur de livres. Préface.

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