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an einem kleinen tragbaren Ofen sich die Hände in der Weise wärmen, dass er aus seinem Bücherkasten einen Band herauslangte, eine Hand voll Blätter herausriss, und das Feuer damit neu belebte. Der Kaiser trat heran und fragte nach dem Titel des Buches, dass so werthlos sei, dass es als Brennmaterial benutzt werde. Père Foy wer kennt ihn heute nicht? reichte ruhig seinem Souverän den Band, und Napoleon las mit Ueberraschung den Titel: „Conquêtes et victoires des Français". Welche Gedanken mögen wohl das Gehirn des Träumers durchkreuzt haben, als er dieses Buch, das bestimmt war, die patriotischen Flammen im Herzen des Volkes zu entzünden, von dem alten Bouquinisten zur Speisung seines Ofens benutzt sah? Der Haussmann'sche Erlass wurde zurückgenommen, und Père Foy war über Nacht ein berühmter und gemachter Mann geworden, denn Jedermann wollte den sonderbaren Kauz sehen und bei ihm kaufen. Und so wird wohl auf lange Zeit hinaus noch die Existenz der Bouquinisten gesichert bleiben.

Die Bücherliebhaberei.

8

I

Bücherliebhaberei in Holland.

Schlusswort.

Em Jahre 1860 beklagte sich Frederik Muller in Amsterdam *), dass die Liebe zu guten Büchern in Holland beinahe ausgestorben zu sein scheine, und doch konnte sich Holland im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert eines solchen Reichthums an Schätzen der Litteratur rühmen, wie kaum ein anderes Land, ja, am Ende des siebzehnten Jahrhunderts ist die Liebhaberei an alten Büchern zuerst in Holland überhaupt aufgetreten. Nur ab und zu bietet sich noch jetzt Gelegenheit, einen Blick in den kostbaren Privatbesitz an Büchern zu thun, der sich in alten Familiengeschlechtern bis in die Neuzeit erhalten hat. Das war z. B. der Fall, als von November 1858 bis Januar 1860 in sechs Auctionen die etwa 19 000 Nummern starke Bibliothek van Vorst versteigert wurde, eine der bedeutendsten, die jemals in Holland unter den Hammer gekommen.

Beinahe gleichzeitig kam die von Van Oosten de Bruyn nachgelassene, ebenso werthvolle Büchersammlung zum Verkauf. Es ist interessant, am angeführten Orte zu lesen, wie Muller die Ursachen erklärt, weshalb z. B. alte holländische Classiker-Ausgaben, die vor hundert bis zwei

*) Allgemeene Konst- en Letterbode. 1860, No. 20. 23.

hundert Jahren mit 34 Gulden bezahlt wurden, in den genannten Auctionen den Preis von 5575 Gulden erzielten; wie er auf den Zusammenhang der Bücherauctionen mit der Litteraturgeschichte, und den Einfluss der Litteratur auf die allgemeine Culturentwickelung eingeht. Auch Muller konstatirt dabei dieselbe Erscheinung für Holland, der wir schon in anderen Ländern begegnet sind: die Zeit der umfangreichen Werke ist auch dort vorbei, die älteren Encyklopädien, die opera omnia will Keiner mehr, aber die Monographien und kleineren Werke sind gesucht. Auch in Holland spielt der Mangel an Platz eine Rolle dabei: Was dagegen in Holland noch hoch im Preise steht, sind die alten holländischen Bibelausgaben, von denen bei den genannten Auctionen viele in den Besitz des British Museums übergegangen sind.

Daneben ist altfranzösische und altspanische Litteratur noch reichlich in Holland zu finden; wenn man sich fragt, wie diese von den Nachbarländern so hoch geschätzten und so sehr gesuchten Werke in dem kleinen Holland durch Jahrhunderte hindurch erhalten bleiben konnten, so findet dies wohl seine Erklärung darin, dass die Bewohner in früheren Jahrhunderten bei grossem Reichthum früher schon als andere Nationen Privatbibliotheken zu sammeln pflegten, und dass bei einem im Allgemeinen hohen Bildungsgrade der Bevölkerung die Presse dort allezeit Freiheiten genossen hat, wie in keinem anderen Lande. Das Alles hat zusammengewirkt, um der Buchdruckerkunst und der Pflege der Wissenschaften in Holland eine Bedeutung im öffentlichen Leben zu verschaffen, auf die man in den Nachbarländern Jahrhunderte hindurch mit Bewunderung und Neid blickte. Inzwischen hat sich das geändert, das kleine Holland ist von seinen Nachbarn auch in der Bücherliebhaberei weitaus überflügelt, immer aber tauchen dort noch Schätze auf, die den holländischen Büchermarkt als einen für Frankreich und England sehr beachtenswerthen erscheinen lassen, und der auch dem von Deutschland überlegen erscheint. Die Lage im Mittelpunkte der Kulturstaaten kommt den Holländern dabei sehr zu Statten.

Ich nähere mich dem Ende meiner Betrachtungen. Es würde ein Leichtes sein, dieselben noch weiter auszudehnen, aber man muss sich zu beschränken wissen, und darf nicht ermüden.

Danach will ich handeln und nicht unterlassen, dem Leser für die Geduld zu danken, mit der er mir bis hierher gefolgt ist.

Das Gesagte wird genügen und Beachtung finden bei Denen, welche die Liebe zu guten und schönen Büchern als eine nobele Passion betrachten und pflegen. Für die rein positiven Naturen, die in einer Bibliothek nur einen Haufen unnützer Bücher sehen, denen ein Bücherliebhaber wie ein Tollhäusler vorkommt, für solche Leute habe ich nicht geschrieben; sie werden vielleicht das Studium eines Leihbibliotheks-Kataloges vorziehen, nach dem die urtheilslose Lesewelt Jahr aus Jahr ein eine Menge von Werken verschlingt, nach denen niemals wieder ein Hahn krähen wird. Ich will zufrieden sein, wenn meine Arbeit vielleicht einem Andern nützlich werden kann, der sich mit der gleichen Materie beschäftigt. Nimmt doch die Wissenschaft der Bücherkunde fortwährend einen weiteren Aufschwung, entsprechend der Entwickelung der litterarischen Production in allen Culturstaaten. Unser Jahrhundert hat eine ganze Reihe bibliographischer Arbeiten von der grössten Bedeutung entstehen sehen, auf denen das kommende Jahrhundert weiter bauen kann; die im Anhange befindliche „Bibliographie" liefert einen Beweis für den Reichthum dieser Litteratur. Sie zeigt uns aber auch, auf welchen unermesslich breiten, unerschütterlichen, kraftvollen Grundlagen die Litteratur im Allgemeinen seit Erfindung der Buchdruckerkunst beruht. Daraus schöpft auch die Bücherliebhaberei die wunderbare Lebenskraft und Energie, die sie die blutigsten Revolutionen hat überstehen lassen, die sie befähigte, sich nach den heftigsten politischen Erschütterungen, die die ganze Welt durchzitterten, stets wieder neu und kräftiger als zuvor aufzurichten, die ihre Jünger von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer begeisterter und opferfreudiger werden liess.

Unwillkürlich drängt sich uns heute die Frage auf: Was wird in der Zukunft aus den seltenen Büchern werden, die heute schon so theuer bezahlt sind? Wird ein Rückschlag eintreten? Werden die Krisen des nächsten Jahrhunderts die Bücherliebhaberei vernichten?

Ich glaube nicht daran, aber die Frage ist heute nicht discutirbar und die Sammler des Jahres 2000 mögen Antwort darauf geben.

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