Page images
PDF
EPUB

Großvåter pflegen mit besonderer Liebe auf ihre Enkel zu schauen: darum bin ich auch unbesorgt um die Aufnahme des Geisteskindes, das ich Ihnen hiermit hochachtungsvoll übergebe. Ihr Genius umschwebe es auf seinem Weltlaufe unter Lob und Tadel, bis es nach dem Laufe der Welt vergessen seyn wird, wie wir. Doch wir wollen unserer nicht vergessen, denn die Liebe höret nimmer auf, so doch die Erkenntnisse und die Sprachen und das Stückwerk unsers Wissens aufhören wird!

Hamburg, den 20. März 1842.

Kröger.

Erster Abschnitt.

Einleitung.

Sprache, heilige Schriften und Religionssysteme der Hindus, Perfer und Chinesen.

Das Morgenland ist die Wiege des Menschengeschlechts, aller Religion und aller Weisheit.

Herder.

§. 1. Alle Nachforschungen über den Ursprung und den Entwicklungsgang des Menschengeschlechts leiten den Blick nach Asien hin, diesem großen Welttheile, dessen hochgebirgige Mitte sich zuerst aus der allgemeinen Wasserwelt emporhob, wo nicht allein die edelsten Thierarten, die herrlichsten Pflanzen im Ueberflusse gedeihen, sondern auch die ältesten und ausgebildetsten Sprachen und Schriftarten, die frühesten Spuren von Wissenschaften und Künsten, die ersten großen Monarchien und die wichtigsten Religionssysteme anzutreffen sind 1).

Schon in der ersten Dämmerung der Geschichte finden wir in diesem Geburtslande aller Weisheit am Abhange seines aus gedehnten Hochgebirges drei merkwürdige Völker, welche durch

1) Wir verweisen auf Herder, dessen Ideen z. Phil. der Geschichte der Menschheit wohl keinem gebildeten Deutschen unbekannt oder unzugånglich sind, besonders II, 355 ff.

einen früh erlangten hohen Grad von Cultur und einen weit verbreiteten Einfluß auf die Bildung spåterer Völker unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, und deren, erst in dem lehten halben Jahrhundert uns nach und nach eröffneten literarischen Schäße ein neues Licht auf die Urzeit unseres Geschlechts und seinen Bildungsgang werfen: die Chinesen im Often, die Hindus im Süden, die Arier, d. h. Baktrier, Meder, Perser, im Westen und Nordwesten.

Merkwürdige Uebereinstimmungen in Sprache, Religion, Gesetzgebung 2c. lassen vermuthen, daß sie sämmtlich von einem gemeinschaftlichen Urstamme, vielleicht aus dem hochliegenden Tibet, ausgegangen und von den großen Strómen, die in jenem Lande entspringen, geleitet, nach verschiedenen Richtungen gezo= gen sind und unter den Einflüssen ihrer neuen Wohnpläße ihre Bildung eigenthümlich modifizirt haben.

Während die Chinesen ihre einsylbige Begriffssprache 2) entwickelten, theilte sich die mehrsylbige Ursprache der andern Völ

der

2) Die Chinesische Sprache, eine der åltesten und originellsten Welt, gehört zu dem einsylbigen Sprachstamme und wird in verschiedenen Dialekten geredet. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen der Volks-, der Mandarinen- und der Gelehrtensprache, worin die Bücher abgefaßt sind. Den Grundbestandtheil derselben bilden eine kleine Anzahl einsylbiger Wurzelwörter, deren Anzaht die früheren Missionare (s. Mem. conc. I, 280) auf 330, Re= musat auf 252, Montucci auf 460 und Schott auf 540 ange= ben, bestehend aus einem Vocal oder Diphthong und einem Konsonanten, am Ende das gelinde n oder das nasale ng. Daher gleichen diese Laute an Zartheit und Einfachheit den ersten Tönen des lallenden Kindes, daher sind die Europäischen Sprachen den Chinesen unerträglich. Durch vier- oder fünffache verschiedene Betonung (den Ausländern unerreichbar) wird die Zahl jener Wurzelworte um so viel, vier- oder fünfmal, vermehrt. (3. B. das Wort tschü bedeutet bei der Dehnung des ü und mit hellem Ton gesprochen: Herr, Gebieter; mit gleichförmigem Ton: eine Sau;

« PreviousContinue »