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Sie vor 32 Jahren von der Universität Wittenberg zur philosophischen Professur des akademischen Gymnasiums meiner Vaterstadt berufen wurden, wo Sie zwar einen kleinen Kreis für Ihre amtliche Thätigkeit fanden; aber desto segensreicher auf Diejenigen einwirkten, welche sich näher an Sie schlossen, während Sie durch schriftstelle rische Arbeiten Ihren Ideen ein weiteres Feld eröffneten, und im Umgange mit den Wissenschaften Geist und Herz über das alltägliche Leben und dessen Luft und Last erhoben!

Auch mir sind solche Beschäftigungen ein Bedürfniß geworden (denn der Geist muß denken, ohne Denken gleicht der Mensch dem Ochs und Eselein im Stalle, sein Herz muß lieben," und denen, welche etwa vom Zuvielschreiben reden mögen, kann ich nur wie Dionysius dem König Philipp antworten: „Ich schreibe, wenn Ihr und

Eures Gleichen beim Weine sißt “), sie haben mir nicht allein den Geist frisch erhalten, der bei dem niederen Ge= triche des Lebens so leicht abgestumpft wird, sondern auch, nach einem harten häuslichen Verluste, mich wieder aufgerich= tet, mir Lebensmuth und Arbeitsluft zurückgegeben, indem sie die Gedanken von der niederbeugenden Gegenwart in die pädagogische Urzeit unseres Geschlechts, und von dieser durch Reminiscenzen aus den Schriften und Vorträgen des eben so gelehrten als scharfsinnigen Greuzer auf die Gestaltung der höchsten Ideen der Menschheit unter den ältesten Völkern, den Hindus, Persern und Chinesen, führten.

Die Erhabenheit und Würde jener philosophisch-religiösen Ideen, die bei ihrem Ursprunge einer lebendigen Quelle gleichen,` die vom Berge herabfließend noch ihre ganze Frische, Fülle und Reinheit in sich trägt, während der Bach im Thale bereits manchen unreinen Zusag auf

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genommen, scheinen mir noch nicht so allgemein gekannt und gewürdigt, als sie es verdienen, und doch ist eine nähere Bekanntschaft mit ihnen, die ein neues Licht auf die Urgeschichte der Menschheit und den Ursprung reli giöser Ideen werfen, für den Gebildeten wie für den Gelehrten, besonders aber dem Philosophen, Theologen und Pädagogen, vom höchsten Interesse. Darum habe ich versucht, in gedrängter Kürze die Resultate der neueren Forschungen Denen vor Augen zu legen, welchen die Zeit fehlt, sich unmittelbar an diese Studien zu machen, und Denen einige Fingerzeige zu geben, welche geneigt seyn möchten, sich tiefer darin einzulassen. Ich und mein Buch wollen nicht als Lehrer und Quelle, sondern als Führer zu diesen angesehen seyn. Deshalb habe ich die Hauptlehren der Indisch - Persisch- und Chinesischen Religionssysteme als eine Art Kapitel-Ueberschrift aufgestellt,

und darunter die möglichst wortgetreue Uebersehung der aus den heiligen Büchern jener Völker gezogenen Beweisstellen, und in Anmerkungen Stoff zur Vergleichung mit späteren religiösen Ideen, verschiedenartige Ansichten 2. angeführt und die Schriften angegeben, aus welchen weiter zu schöpfen seyn möchte; in der Einleitung aber das Nöthige über Sprache, Literatur . Ost-Asiens mitgetheilt, und am Schlusse einige Folgerungen auf den Ursprung religiöser Ideen gezogen.

Ob dieses Werkchen Ihren Anforderungen Genüge leistet, muß ich Ihrer nachsichtsvollen Beurtheilung anheim stellen; ich habe meine Sache so gut gemacht, als ich fonnte und ultra posse nemo obligatur! Ob Sie meinen Folgerungen überall beistimmen? Ich weiß es nicht, und zweifle fast daran; aber das weiß ich, daß Sie Philosoph genug sind, um entgegenstehende Ansichten

und Meinungen (denn geschichtlich läßt sich die Aufgabe schwerlich lösen, höchstens philosophisch) nicht allein dulden, sondern auch würdigen zu können. Ich habe wenigstens unbefangen geforscht, unbekümmert um die Nesultate, denn „schädliche Wahrheit, ich ziehe sie vor dem nüßlichen Frrthum" und kann nicht einstimmen in die Ansicht: „Ein Wahn, der uns beglückt, wiegt eine Wahrheit auf, die uns zu Boden drückt,“ weil ich nicht glaube, daß es schädliche, zu Boden drückende Wahrheiten giebt. Die Wahrheit mag dem Einzelnen durch Wahrheitsfeinde Nachtheil bereiten, denn veritas odium parit; der Menschheit, der Sache ist sie immer förderlich. Und wer wollte um eines Nachtheils willen dem Nohre gleich seyn, das der Wind jeder Meinung Anderer hinund herbewegt: ,, wer sich fürchtet, der ist nicht völlig in der (Wahrheits-) Liebe!"

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