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,,Auf der Erde kann kein Mensch dem ändern sagen,, wie er ihn liebe; die Freundschaft und Liebe gehen mit verschlossenen Lippen über diese Kugel, und der innere Mensch hat keine Zunge!" Auch meinem innern Menschen, verehrter Freund, gilt dieser Ausspruch unsers genialen Jean Pauls! Noch hat meine Zunge nicht geres det, noch haben sich meine Lippen nicht geöffnet, um auch öffentlich ein Zeichen der innigen Freundschaft und herzlichen Liebe gegen Sie zu geben, welche das Innerste meines Gemüthes schon seit einer Reihe von Jahren bewegen. Aber dennoch sind Sie an mir, an meiner Freundschaft und Liebe nie irre geworden, und dennoch habe ich ein solches Irrewerden Ihrer Liebe und Freundschaft an mir nicht einmal gefürchtet! Wir kennen und vertrauen uns! Sie wissen, wie von Ju

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gend auf mein Herz für reine und warme Freundschaft

empfänglich ist, wie sehr es nach wahrer, offner Freundschaft geschmachtet hat; wie wenig es sich von jener kahlen und schalen Umgangsfreundlichkeit befriedigt fühlt, mit welcher die Klugheit der Welt die kälteste Selbstsucht oft eben so zu bedecken pflegt, wie mit äußerem Schimmeṛ und Flimmer die Gebrechen des Körpers; aber Sie wissen auch, daß ich eben so unfähig bin, der lezten erHeuchelte Gefühle zurück zu geben, als die erste mit bloßen Worten ausdrücken zu wollen, weil That und Leben al= lein dies würdig zu thun vermag.

Darum mein Schweigen! Aber soll ich ewig ver stummen? Die Zeit eilt dahin, die Sonne Ihres Lebens neigt sich zum Untergange, und, wenn sie auch meiner · Bahn fast ein Vierteljahrhundert weniger geleuchtet hat, wer weiß, wie bald ihre Strahlen auch auf mein Grab fallen! Ich würde dort, bei dem Scheine des Undanks

gegen irgend einen Menschen, der mir im Leben wahrhaft wohlgethan, geschweige denn gegen Sie, der mir stets ein ächter, d. h. offener, uneigennüßiger Freund gewesen, keine Ruhe finden! Daher drängt mich das Herz, bevor wir für diese Welt von einander scheiden, Ihnen noch einmal die warme Freundeshand zu drücken, und eine alte Schuld in etwas abzutragen, indem ich mit Ihrem theuern Namen vorliegende Schrift schmücke: sie sey Ihnen ein schwaches Zeichen dankbarer Verehrung, ein vergängliches Denkmal unvergänglicher Liebe, die, wie jezt nicht die Ferne, so einst nicht der Tod erkalten wird.

Und wer unter Allen, welche während meiner Lebensbahn, den Sonnen gleich, erleuchtend, anziehend, erwärmend auf meinen inneren Menschen einwirkten, hätte wohl mehr Anspruch darauf als Sie, geliebter Freund, der Sie

einst mir, dem schüchternen Jüngling, mit offenem Verz trauen entgegen kamen, meine ersten wissenschaftlichen Be= strebungen leiteten, meiner ersten praktischen Thätigkeit mit aufmunternder Theilnahme folgten, und dem offnen Ausdrucke meiner Gedanken und Empfindungen es nie an freundlichem Rath oder Troft fehlen ließen! Und wer unter Allen, welche Ihnen näher standen, hätte wohl stärkeren Anlaß dazu, als ich, der den vollen Werth Ihres Geistes und Herzens aus Ihrem häuslichen und bürgerlichen, amtlichen und schriftstellerischen Leben sieben und seit zwanzig Jahre kennen zu lernen Gelegenheit hatte, wie Wenige!

Wie sollte darum an diesen Werth, an jene vielfachen Beweise der Liebe und Sorgfalt, so wie an die glücklichere Zeit, da ich Ihres persönlichen Umganges genoß, mich der heutige Tag nicht lebhaft erinnern, an welchem

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