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Lexicon; ja selbst Spuren der höheren Kritik, indem Heriger, Abt von Laubes in Belgien († 1107), auf Isidor's unächte Decretalien hinwies. Auch machten sich damals schon die durch Odon († 937) reformirten Benedictiner zu Clugny überhaupt um Wissenschaften, so auch um die lateinische Literatur durch Schulen verdient.

Ihre Verdienste vermehrten sich im eilften Jahrhundert, als vorzüglich sie nebst den Schülern des gelehrten Fulbertus († 1028) zu Chartres (seit 1007) den Carthäusern (seit 1086), welche von der Ordensregel dazu verpflichtet waren, und den Cisterziensern (seit 1098), welche im Kalligraphischen schon eine Art Luxus zeigten, die Vervielfältigung der Manuscripte sich angelegen sein liessen. Dies war freilich aber auch das Einzige, was für classische Literatur in Frankreich geschah, wo scholastische Philosophie und theologische Streitigkeiten die bessern Köpfe beschäftigten wesshalb auch der Abt Guibert zu Nogent († 1125) den Mangel an Grammatikern in diesem Jahrhundert, unter denen bloss ein gewisser Johannes zu Laon erwähnt wird, ausdrücklich hervorhebt. Eben so wenig konnte auch desshalb in England die alte Literatur gedeihen, wo ausserdem Kämpfe gegen innere und äussere Feinde fast jedes geistige Streben erdrücken muss. ten; daher nur der einzige Erzbischof zu York, Aelfricus († 1051), als Verfasser einer „Grammatica latino - saxonica" erwähnt wird. Deutschland allein bietet in dieser Zeit einen erfreulichern Anblick dar, obschon auch hier bereits das spätere Absterben der Wissenschaft sich zu erkennen gab. Noch lebte damals der gelehrte Bischof von Paderborn, Meinwerk († 1036), welcher schon im vorigen Jahrhundert segensreich gewirkt hatte, und unter dessen Bemühung jetzt in dem aufblühenden Stift Römische Dichter und Geschichtschreiber fleissig gelesen wurden. Seinem Beispiel folgte der Abt zu St. Gallen, Hermann Contractus († 1054), welcher seiner grammatischen Kenntnisse wegen gerühmt wird, einige Schriften des Cicero erklärt hat, and mehrere Werke des Aristoteles übersetzt haben soll; nicht minder die Aebte von Hirschau, Wilhelm († 1091) und Gebhardus (1091), durch Abschriften,

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welche unter ihrer Aufsicht gefertigt wurden. Auch werden als Grammatiker jener Zeit Petrus Elias (1090) und Joannes Garlandius, vielleicht aus Frankreich, (1040) erwähnt, von denen der Letztere nach der damals beliebten Weise seine Regeln über Orthographie und Synonyme in leoninische Verse brachte. Es würde wahrscheinlich noch mehr geschehen sein, wenn nicht die Geistlichkeit, deren Ansehn unter Gregorius VII. Herrschaft (1075) sehr gestiegen war, die Trägheit des Geistes und den Aberglauben befördert hätten, um ihren Einfluss geltend zu machen. Diess geschah noch mehr in Italien; daher wir dort nur den Lombarden Papias (1053), welcher sein Elementarium oder Vocabularium aus ältern Schriften nicht ohne Verdienst compilirte, von der griechischen Sprache aber nur geringe Spuren finden; denn die medicinische Schule zu Salerno (seit 984) scheint die Griechischen Acrzte nur aus Uebersetzungen benutzt zu haben, die zum Theil aus der früheren Zeit übrig waren, zum Theil wohl auch jetzt erst gefertigt wurden. Bei den kirchlichen Streitigkeiten nämlich mit dem Orient konnte die Bekanntschaft mit der griechischen Sprache nicht ganz aufgegeben werden, wenn man auch auf die griechische Literatur selbst, die in Constantinopel noch fortwährend encyclopädirt wurde, und nur später unter den Komnenen, namentlich unter Alexius (1081 1118), durch Michael Psellus den Jüngern († nach 1105) einiges Leben gewann, weniger sein Augenmerk richtete. In Deutschland aber scheint sich die griechische Sprache während dieser Zeit nur noch im Kloster St. Gallen durch Notkerus den Dritten oder Labeo (1019), und in Frankreich durch Niederlassungen griechischer Mönche zu Rouen (1012) und Marseille (1044) erhalten zu haben. Am merkwürdigsten ohnstreitig in diesem Jahrhundert war der wiedererwachte Versuch einer Wortkritik durch den scharfsinnigen Erzbischof von Canterbury, Lanfranc († 1089). Bezog sich sein Verfahren auch nur auf einzelne Stellen der Bibel and Kirchenväter, so konnte es nicht fehlen, dass es auch auf die klassischen Schriftsteller übergetragen wurde.

Diess geschah im zwölften Jahrhundert zunächst durch die Karthäuser, welche in den seit der Einführung des Seidenpapiers vermehrten Abschriften die Texte durch Vergleichung mehrerer Handschriften revidirten und gefundene Abweichungen bemerkten. Es war diess freilich nur ein schwaches Fundament, auf welchem jedoch andere bauten, wie der Benedictiner Wibaldus, welcher den Cicero abschreiben liess, und Robert von Torigny ođer de monte († 1122) durch seine Textreinigung von Plinius Naturgeschichte, welche er in die Normandie gebracht hatte; ja der Benedictiner - Abt Guibert zu Nogent († 1124) erhob sich sogar, indem er die Aechtheit der Briefe Christi an Abgarus bezweifelte, bis zum erweiterten Versuch der höheren Kritik, und der Karthäusergeneral Guigo († 1137) stellte schon eine Methode auf, die ächten Schriften des Hieronymus von den unächten zu unterscheiden. Aber auch mit Erklärung der Klassiker beschäftigte man sich in der damals beliebten Glossenweise, welche durch den Decan Anselmus zu Laon († 1117) in der Glossa interlinearis der Bibel von Neuem aufgekommen, und durch Irnerius († vor 1150), so wie Azo († 1200), in dem Corpus juris angewendet worden war. Ja man ging so weit, nicht allein im Allgemeinen von der Studienweise zu schreiben, wie der in den Alten vielbewanderte Hugo a S. Victore († 1240) in seinen Didascalicis, sondern auch im Besondern, wie der Engländer Guilielmus de Ramesey (†1180), über die Art, heidnische Schriftsteller zu lesen, wovon uns auch Joannes Sarrisberiensis in seiner Schrift.(Metalog. I, 24) ein interessantes Bild entwirft. Am eifrigsten aber wurde das classische Studium in Oxford und Cambridge betrieben, wo Odo nach Priscian die Grammatik lehrte, Ercombertus sich durch sein Werk,,de octo partibus orationis" sehr auszeichnete, Joannes Serlo (1160) mehrere grammatische Schriften mit Beziehung auf Syno nymik verfasste, Osburnus (1140) ein Vocabularium schrieb, und vor allen Joannes Sarisberiensis († 1180), achtbar durch sein Streben, das Alterthum von den scholastischen Fesseln loszureissen, eine ungemeine Belesenheit und Gelehrsamkeit, verbunden mit sicherem Urtheil in der römi

schen, wenn auch weniger in der griechischen Literatur zeigte. Ausserdem wurde der frühere Verlust an Handschriften durch fleissiges Copiren ersetzt. Nicht minder that sich Frankreich hervor, wo Marbod oder Merobaudes (1123), welcher ,,de ornamentis verborum" schrieb, Wilhelm de Conchis († 1150), welcher auf der Akademie zu Paris Grammatik lehrte, der belesene Petrus Blesensis († 1200), Wibaldus und der ausgezeichnete römischgebildete Bischof von Tours, Hildebertus († 1136?), der fleissige Erklärer lateinischer Dichter Arnulphus Aurelianensis, vorzüglich aber der mit den Classikern vertraute, scharfsinnige Dialektiker und Kenner des Aristoteles Abälard († 1142) besondere Erwähnung verdienen. Zwar übte die unfruchtbare Spitzfindigkeit der damals herrschenden Scholastik, welche durch Petrus Lombardus († 1164) in ein förmliches System gebracht worden war, ihren Einfluss auch auf das Studium der Classiker aus, das man überdiess meist als Vorbereitung zur Theologie betrachtete (wesshalb Petrus Cantor aus Poitou († 1197) sogar eine Grammatik für Theologen schrieb); allein es wurde durch die Anregung des Scharfsinns in dialectischen Uebungen der Aufschwung zum Bessern vorbereitet und wissenschaftliches Leben angeregt. In Deutschland aber kam es nicht dahin, obschon der Grammatiker Saxo (1186) durch seine fleissige Nachahmung des Valerius Maximus und Justinus, so wie der Mönch David im Kloster St. Jacob zu Würzburg mit seiner Grammatik zeigte, dass die lateinische Literatur hier und da eine Freistätte fand. Eben so wenig vermochte Italien bei den dort herrschenden Unruhen, unter denen die des Arnold von Brescia (1144) wegen des Sinus für altrömisches Wesen bemerkbar ist, sich hierin auszuzeichnen, obgleich es nicht an Schulen der Grammatik fehlte, und man von dem seit 1120 zu Bologna eingeführten Rechtsstudium sichtbare Einwirkung erwarten konnte. Kaum dass ein gewisser Petrus Romanus (1140) aus dem Kloster zu Cassino als Verfasser einer Schrift,,de notis sive siglis Romanorum" erwähnt wird. Weniger scheint die griechische Sprache, wie aus den Uebersetzungen des Burgundio von Pisa (†

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1194) erhellt, vernachlässigt worden zu sein, worauf freilich der Byzantinische Einfluss in Calabrien und Apulien, 80 wie die Kreuzzüge führen mussten. Letztere gaben Veranlassung, dass auch Engländer, wie David Scotus, Richardus Pluto zu Canterbury (1181), und Franzosen, wie der oben erwähnte abbas Stabulensis, Wibaldus, sich mit der altgriechischen Literatur beschäftigten; denn die neue, wenn auch von den Komnenen fortwährend begünstigt, bot ausser den gelehrten Schriften der Brüder Tzetzes und des Bischofs Eustachius († nach 1194) nichts Besonderes dar. So brachte Wilhelm de Gap (1167) griechische Manuscripte nach St. Denys und übersetzte aus dem Griechischen; und schon vorher hatte Macarius, Abt von Fleury († 1162), ein Glossarium graeco-latinum gefertigt.

Diese Neigung zur griechischen Sprache erhielt sich auch im dreizehnten Jahrhundert, theils durch die fortgesetzten Kreuzzüge, welche zwar durch den Sturz des Byzantinischen Reichs und durch die Plünderung Constantinopels einen grossen Verlust der Griechischen Literatur herbeizogen, allein die griechische Sprache auch im Occident weiter verbreiteten; theils durch die früher schon erwachte Liebe zu Aristoteles, welcher vorzüglich seit Wilhelm's von Auvergne Empfehlung nicht allein emsig gelesen, sondern auch durch Thomas von Aquino († 1274) kritisch behandelt, von Jakob aus Venedig (1224), Bartolomeo aus Messina (1250), Robert Grosseteste, Bischof von Lincoln (1235), Heinrich von Brabant (1279) und Wilhelm von Morbeke in Flandern († 1281) übersetzt, und von Joannes aus Paris (1248), Michael Scotus († 1290) und vorzüglich von dem berühmten Thomas aus Aquino erklärt wurde. Auch Andere, wie der gelehrte Grammatiker Gregorius IIuntingtonus (1255), der geistreiche Roger Baco († 1292), Joannes Basingus († 1252), beweisen die Liebe zur Griechischen Literatur in England. Allgemeiner ausgebreitet war freilich noch immer die Kenntniss der Römischen Literatur in Italien, Frankreich und Eugland; Schriftsteller wurden erklärt von Alexander Neckam († 1227), Giraldus Barry (1220), Joannes Guallen

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