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Und in der That Potemkin war der Kaiserin ein Freund, dessen Bedeutung sie nicht gering anschlagen durfte. Er war im Süden als Admini strator und Gesetzgeber, als Feldherr und Diplomat thätig. Die Leitung des Türkenkrieges, die Anbahnung von Friedensunterhandlungen waren ihm überlassen. Ungeheure Mittel standen ihm zu Gebote. Er verfügte über die lassen. Machtquellen des Reiches; fast als Souverän herrschte der Satrap in seinen Palästen zu Krementschug und Cherson und in den dem Feinde entrissenen Städten Bender und Jassy. Sein Privatvermögen war unermeßlich. Sein Ehrgeiz träumte von einer souveränen fürstlichen Stellung. Er gebot über ein weites Reich im Süden; hier hatte er ein Heer und eine Flotte; hier konnte er für Rußland und für sich Politik machen im größten Styl. Zu gleich aber sieht man an ihm, was die Gunst der Kaiserin bedeutete. Verwöhnt vom Schicksal, verhätschelt von Katharina selbst, konnte Potemkin nicht die geringste Schmälerung seines Glückes, nicht die geringste Abnahme des Vertrauens der Kaiserin ertragen.

In Potemkin stellt sich ein seltsames Gemisch dar von Genie und Cynismus, von Bildung und Rohheit, von europäischer Hypercultur und asiatischer Barbarei, von großartigen Entwürfen für den Staat und selbstsüchtiger Rücksicht auf seine Tasche, von Humanität und Egoismus, von Thatkraft und Schlaffheit, von Strebsamkeit und Indolenz; - ein Charakter, welchen der Fürst von Ligne als von der Natur so verschwenderisch ausgestattet bezeichnet, daß hundert Menschen von gewöhnlichem Geist und Gemüth aus diesem Stoffe hätten gemacht werden können, ein Charakter, welcher edlen Menschen wie Katharina, Ségur, Joseph II., Harris, Ligne ein tiefes Interesse einflößte und welcher zugleich der Gegenstand der schärfsten Anfeindung, des bittersten Tadels, des giftigsten Hasses geworden ist, eine Persönlichkeit, welche als Held und Staatsmann gepriesen, als Frevler verurtheilt worden ist von der Geschichtschreibung; ein Mann von kindischem Ehrgeiz, dem man wohl nachsagte, daß er um eines Ordens willen Tausende von Menschen zu opfern bereit gewesen sei, aber zugleich ein Politiker, aus dessen zahllosen Briefen und Geschäftspapieren, aus dessen organisatorischer Thätigkeit und Vielseitigfeit ein reicher Geist und hier und da auch Gemüthswärme uns entgegen

Sein Doppelwesen charakterisirt sich am besten in der Aeußerung, welche von verschiedenen Zeitgenossen gemacht worden ist: Potemkin erscheine. stets müßig, obgleich er stets mit schwerer Gedankenarbeit beschäftigt sei. Mochte er noch so oft halbnackt und halbträumend auf einer Ottomane ruhend gesehen werden: die große Zahl seiner Handbillets an viele Beamte, deren Arbeiten er überwachte, zeigt, daß er eine ungewöhnliche Arbeitskraft besaß, daß viel Stoff zu Hohem und Großem in ihm war. Der Gesammteindruck, welcher bisher in der Geschichtsforschung von Potemkin gewonnen wurde, ist der, daß wir es hier mehr mit einem Abenteurer als mit einem wahren Staatsmann, mehr mit einem Glücksritter als mit einem echten Helden, mehr mit theatralischer als wirklicher Größe, mehr mit Flittergold als gediegenem

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Fürst Potemkin. Verkleinertes Facsimile des Stiches von Charitonow.

Metall, mehr mit außenglänzender Begabung als eigentlicher Tiefe zu thun haben. Die spätere Zeit verdankt ihm weniger, als seine Lobredner meinen; seine Schöpfungen sind ephemer, seine Handlungen nur mehr von augenblicklicher Wirkung gewesen. Seine Träume von reichen dichtangebauten Gegenden, von bevölkerten Städten, von Glück und Wohlstand und Industrie, Kunst und Wissenschaft im Süden von Rußland und in der Krym, welche wie mit einem Zauberschlage sich verwirklichen sollten, sind eben Träume geblieben. Sehr viel langsamer als er meinte, konnte es gelingen, einzelne Punkte der unermeßlichen Gegenden, welche er jahrelang beherrschte, in eine höhere Culturstufe zu rücken. Nach wie vor berührten sich hier Steppe und Garten, Lehmhütte und Palast, raffinirtester Lurus und nacktes Elend, Wilder und Sybarit. Oft ließ sich nur auf Augenblicke aus dem Nichts etwas schaffen. Bei der völlig unhistorischen Art, Städte zu bauen, Gegenden zu cultiviren, konnte es keine organischen Gebilde, keine soliden Existenzen geben. Wo die historische Geduld fehlte, da konnten die Gärten und Paläste, die Fabriken und Kasernen, die Dörfer und Schulen nur kurze Zeit wie durch einen galvanischen Zauberschlag bestehen. Wie Potemkin selbst keiner Schule von Staatsmännern, keinem politisch bedeutenden Geschlecht entstammte, wie er selbst aus dem Nichts zur zweiten Stelle im Staate emporgehoben war, so knüpfen auch seine Schöpfungen nicht an irgend ein historisch Gegebenes an; sie waren unvermittelt; als Treibhauspflanze, als äußerer Zierrath schmückten sie die Regierung Katharinas; kümmerlich vegetirten sie längere Zeit, bis günstigere Verhältnisse hier und da einen gewissen Aufschwung in viel langsamerem Zeitmaß gestatteten. Mit ungeheuren Größen hat Potemkin als Organisator, als Feldherr, als Diplomat gerechnet; der rothe Faden, welcher sich durch sein Leben hinzieht, ist das Gefühl der Verantwortlichkeit nur der Kaiserin gegenüber, die Besorgniß, daß sie, die ihn erhob, ihn auch stürzen fönne. Solchen Naturen fehlt es an Selbstgefühl, an Vertrauen auf wirklich geleistete Dienste; solche Pflanzen gedeihen nur in der Hofluft; es giebt keine andere Welt für sie außer dieser.

Und doch hatte Potemkin große Bedeutung für Rußlands Politik. Keiner der Günstlinge Katharinas hat so tief in das politische Leben jener Zeit eingegriffen, keiner hat den europäischen Fragen so nahe gestanden wie er. Mit den ausländischen Diplomaten am St. Petersburger Hofe stand er, so oft er sich in der Hauptstadt aufhielt, in lebhaftem Verkehr. Er hatte seine eigene Art die Geschäfte zu betreiben. Nicht immer zeichnete er die Gesandten aus, welche Katharina bevorzugte. Während Katharina mehr zu Frankreich hielt, suchte Potemkin ein näheres Verhältniß zu England anzubahnen; der innigen Freundschaft der Kaiserin mit Joseph II. gegenüber erinnerte er wohl an die Nothwendigkeit, die Beziehungen zu Preußen zu pflegen. In der orientalischen Frage scheint er dazwischen eine Art Initiative gehabt zu haben. Ueber die Beziehungen zur Türkei, die Nothwendigkeit einer Besizergreifung der Krym, die Haltung Rußlands im Kaukasus, die Gründung russischer Kriegs

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Ansicht von Balaclava in der Krym (das Palation" der Alten; auf den Bergen die mittelalterlichen Festungswerke der genuesischen Colonie Cembalo).

häfen am Schwarzen Meere verfaßte er Gutachten. Sein langjähriger Aufenthalt im Süden hatte ihn eine Terrainkenntniß erwerben lassen, welche ihn in Stand sezte, die Wichtigkeit einer Grenzerweiterung gegen die Türkei, der Befestigung mancher Grenzpunkte genauer zu erkennen, als mancher Andere es vermocht hätte. Nicht bloß auf die rein politische Bedeutung solcher Eroberungen wies er hin, sondern auch auf die wirthschaftliche Wichtigkeit der Colonisation in Südrußland, des russischen Handels auf dem schwarzen Meere, auf die Vortheile, welche für das Christenthum aus einem Vordringen gegen die Türkei erwachsen müßten. Stets war er beschäftigt, Angaben zu sammeln über den Stand der Fragen, welche ihn in Anspruch nahmen. Er verstand es, sich mit Sachkundigen zu umgeben, ihre Dienste zu verwerthen und genaue Enqueten anstellen zu lassen.

Potemkins ungewöhnliche Fähigkeiten, sein Gedächtniß sezten ihn in Stand, spielend das zu erlernen, worauf Andere viel Zeit verwenden. Als er Großadmiral auf dem schwarzen Meere geworden war, suchte er sich in kurzer Zeit die Einzelheiten der Technik des Marinewesens anzueignen. Die Umwandlung der für die Vergnügungsreise der Kaiserin im Jahre 1787 ge= bauten Galeeren in Kriegsfahrzeuge ist nach seinen Angaben erfolgt. Zahllose eigenhändige Schreiben von ihm bekunden sein Interesse am Schiffsban. Seine Universalbildung hat manchen seiner Zeitgenossen in Erstaunen geseßt. Ohne sich durch einen reinen und hohen Kunstgeschmack auszuzeichnen, liebte er es, sich mit Künstlern und Künstlerinnen zu umgeben. In seiner Erdhöhle vor der Festung Otschakow war er mit der Uebersehung französischer Werke beschäftigt.

So oft die Verhältnisse es gestatteten, kam er nach Petersburg. Die Ansicht, daß Katharina gegen das Ende von Potemkins Leben ihre günstige Meinung über ihn geändert habe, ist falsch. Es gab Momente der Verstimmung; von einer eigentlichen Ungnade war keine Rede. Es will nicht viel sagen, daß sie ihn bis zuleht mit Gnadengeschenken und Belohnungen überschüttete; dagegen werden uns aus engstem Hofkreise ungeschminkte Aeußerungen der Kaiserin über Potemkin mitgetheilt, welche schwerer wiegen, als die ihm verliehenen Millionen und Paläste, Orden, Ehrendegen und Siegeskränze. Am meisten gilt der Schmerz, mit dem sie ihn beweinte.

Als in Petersburg die Nachricht von der schweren Erkrankung Potemfins eintraf (Oktober 1791), erkrankte Katharina vor Gemüthsbewegung. Bei der Nachricht vom Tode des Fürsten klagte sie, daß sie nicht damit zurechtkomme, zeitig Menschen vorzubilden; jezt sei Niemand da, auf den man sich stüßen könne; Potemkin sei nicht zu erseyen, er wäre nie käuflich gewesen. Dershawin sagt, Alle seien wie vom Donner gerührt gewesen bei der Nachricht von der Katastrophe Potemkins, am meisten aber die Kaiserin. Masson spricht von drei Ohnmachten, welche Katharina gehabt haben sollte. Der Graf Esterhazy, welcher sich damals als Emigrant am russischen Hofe aufhielt, schrieb an seine Frau: „Seit dem Tode Potemkins ist hier Alles in

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