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nen laffen, was er in der Gefchichte zu fuchen, worauf er den Blick zu richten hat. Das kritische Geschäft wäre leer und ginge in der Irre, wenn es nicht von folchen Ideen erfüllt und gelenkt würde. Diefer gefchichtliche Glaube und die aus ihm entfprungenen leitenden Ideen werden, fo wie fie aus der ursprünglichen Natur des menfchlichen Geiftes ftammen, den Gesetzen und Zwecken deffelben entfprechen, und zuletzt immer der Verherrlichung deffelben dienen. Die Hoheit des menfchlichen Geiftes kann dasjenige nicht verleugnen, was ihm unmittelbar eigen ift und aus ihm hervorgeht. Eine gefchichtliche Anlicht, welche die Erniedrigung der Menfchheit zum Zielpunkt hat, ift in fich felber falfch und ein Verrath an der Menfchheit. So im Einzelnen. Die Darstellung der Gefchichte eines Volkes, die nicht in demfelben eine Erfcheinung des Menfchengeiftes in feiner Hoheit, Würde und Schönheit zeigt, ift fchon dadurch verwerflich. Die Menfchheit bleibt immer Menfchheit, felbft in ihrer Erniedrigung. Wer nun aber vollends von unwürdigen Ideen fich verblenden läfst gegen das, was in feiner unentweihten Würde glänzt, wer die fittlichgeiftige Schönheit einer Erfcheinung ohne Noth und wider die glaubhafte Gefchichte entstellt, der verfündigt fich fchwer, und ftellt fich felbft in seiner eignen Unwürdigkeit dar.

Wir kommen jetzt auf unfern vorliegenden Fall. Der Vf. hatte die Gefchichte der erften Ausbreitung und Ausbildung der chriftlichen Kirche zu erforfchen. Der Gefchichtsforfcher der chriftlichen Kirche mufs nothwendig von dem Glauben an die hohe Kraft und Wahrheit des chriftlichen Geistes geleitet feyn, und diefen Glauben nie aufgeben. Selbft in den Verirrungen und Verderbniffen der Kirche mufs er die fortdauernde Wirkfamkeit diefes Geiftes aufzufuchen und zu erkennen wiffen; nur nach der gewiffenhaftesten Prüfung darf er das Unlautere und Verderbte dafür erkennen, und dann mufs er immer noch die Spuren des lautern unverdorbenen Geiftes daneben zu entdecken fich angelegen feyn laffen. Er verleugnet den chriftlichen Glauben, wenn er diefs unterlässt, er frevelt, wenn er fich das Böfe fchafft, wo es nicht ift. Es liegt in der Natur der Sache, dafs der chriftliche Geift in der ersten Zeit viel reiner und mächtiger war, als fpäterhin; um da fchon feine Verderbnifs zu finden, müffen uns deutliche glaubhafte Zeugniffe überführen; der Vf. aber fand fie ohne folche Zeugniffe, und er fchuf fie fich willkürlich frevelhaft. Ueberblicken wir alle die Unlauterkeiten und Schändlichkeiten, welche der Vf. den Schülern der Apoftel zufchreibt, fo fchaudern wir davor zurück. Zuerft das Mifstrauen în die allmächtige Kraft des chriftlichen Geiftes der Wahrheit und Liebe, aus welchem die Bundes - Idee des Clemens hervorgegangen feyn müfste; dann alle die Mittel der Arglift, des Betrugs, der Gewalt, durch welche er diefe Idee foll in Wirklichkeit ge

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fetzt haben; eine täufchende entweihende Geheimnifskrämerey, fchlimmer als je die jüdischen und nicht fo entweihen konnten, weil fie diefelbe nicht heidniichen Priester geübt, welche die Wahrheit kannten; Unterschiebung mehrerer betrügerischen Schriften; Ueberliftung und Verfolgung chriftlicher Brüder (der Johannes- Bindler); und eine Menge geheimer Gewaltthaten, Ermordung und Vergiftung mehrerer Kaifer. Und das alles ohne irgend eine auch nur fcheinbare Spur gefchichtlicher Beglaubi gung! Die ganze Hypothefe des Vfs. ift hervorge Würde der Menschheit und ihrer heiligsten Sache, gangen aus Mangel an Glauben an die Hoheit und des Chriftenthums, und aus der Eitelkeit, eine neue Entdeckung zu machen.

Dafs übrigens Hr. K. den Geift des Chriftenthums versteht und zu würdigen weifs, hat er in der Zugabe einer Charakteristik des Chriftenthums als Zeiterfcheinung bewiefen, welche er gefchrieben, noch ehe er auf jene fonderbare und grundlofe Hypothefe verfallen war.

HALLE, b. Bäntsch: Abriß einer Religionslehre im Geifte der evangelischen Kirche abgefaßt. 1819. 66 S. kl. 8.

faden mit, den er bisher beym Unterrichte feiner Der Vf. diefer Bogen theilt in denfelben den LeitKatechumenen aus den gebildeten Ständen gebrauchgen, weniger für einen Katechismus, als vielmehr te, und will ihn, eben des letztern Umftandes we, für einen, vielleicht nützlichen, Abrifs der Reli gionslehre zum Behufe des Unterrichtes in den höheren Klaffen der Bürgerschulen oder auch in Gymoafien angefehen wiffen. Darum wünscht er auch, dafs ,,feine gewils nicht gewöhnliche Vortragsart Rec. bekennt nach angestellter Prüfung gern, dass von vielen Predigern gekannt und geprüft werde.' che Eintheilung des Lehrftoffes, fo wie in Bezug diefe Vortragsart in Bezug auf einfache und natürli auf Reichhaltigkeit, biblische Begründung und praktifche Tendenz deffelben vor vielen andern ähnlichen Lehrbüchern Vorzüge habe, gesteht aber auch eben fo unbefangen, dafs fie in Hinficht auf die Freyheit von blofs fyftemartigen Dogmen und eine leichte, durchaus verständliche und anschauliche Darstellung noch etwas zu wünschen übrig laffe. Was das Erfle der mitgetheilten Religionswahrheiten hie und da betrifft, fo tritt das Ganze in drey Abschnitten auf, welche I. den Gegenstand des chriftlichen Glaubens (ganz nach der Ordnung des apoftolifchen Glaubens, bekenntniffes), II. die Mittel, III. die Wirkungen deffelben (oder die chriftliche Sittenlehre) behandeln. Diefem gemafs ift nach einer kurzen Einleitung, chriftlichen inshefondere handelt, die Rede: von welche von der Religion überhaupt und von der Gott, von der Schöpfung, der Offenbarung, dem moralifcheu Verderben der Menfchen und der durch

Jefum

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Jefum dagegen getroffenen Anftalt; dann von Jefu felbft, feiner Perfon und Lebensgefchichte, feiner wohlthätigen Wirktamkeit für die Welt, von der Kirche, die er ftiftete, und allen den Gegenständen, welche der dritte Artikel des chriftlichen Glaubens belagt. Zu den Mitteln des Glaubens werden gerechnet, namentlich: richtige Religionserkenntnifs, Gebrauch der heil. Schrift, Gebet, Theilnahme am öffentlichen Gottesdienste und die beiden chriftlichen Sacramente, bey deren Darftellung der Vf. den Geift der evangelifchen Kirche, nicht aber den einer befondern Confeffion in vorzüglichem Grade geltend zu machen fuchte. Unter den Wirkungen des Glaubens hat es derfelbe mit einer fo gedrängten als fruchtbaren Aufzählung und Einschärfung der Pflichten des Menschen gegen Gott, gegen fich und gegen Andere zu thun, ohne dabey die fpeciellern Pflicht verhältniffe zu übergehen. Was das Zweyte betrifft, fo mögen nur einige Bemerkungen beweifen, dafs der Vf. in Hinficht auf reinchriftliche Lehren und eine fafslichere Darftellung derfelben bey einer zweyten Auflage mancherley zu verbeffern haben möchte. So dürfte fich nach den richtigen Bemerkungen über die Grundlehren aller wahren Religion von der Einheit Gottes im §. 3 leicht en behren laffen, was (.48) von dem Geheimniffe der Dreyeinigkeit und Jeiner Beförderlichkeit zu einer beffern Erkenntniß Gottes gelagt wird. Eben fo könnte die Lehre von der Höllenfahrt Jefu (§. 35), von feiner Fürfprache bey Gott (§. 39), von der Art, wie wir durch ihn Vergebung der Sünde erhalten (§. 45) u. f. w. theils ohne allen Nachtheil übergangen, theils reiner und verftändlicher aufgefafst werden, als es hier der Fall ift. So heifst es z. B. §. 45: "Chriftus verfchafft uns bey Gott Vergebung der Sünde, d. i. bringt uns in den Zuftand, dafs alle göttlichen Strafen aufhören können und follen" (??). An gleicher Verständlichkeit fehlt es da, wo der Vf. (§. 13 ff.) von der Offenbarung und den Wundern, (S. 23-25) von der Erlöfung von der Sünde durch Chriftum, (§. 36) von der Auferstehung Jefu „als einer den Jüngern gegebenen finnlichen Probe feines höhern himmlifchen Lebens," (§. 38) von Jefu Sitzen zur Rechten Gottes als einer Weltregierung Gottes nach Chrifli Willen und Abfichten," (§. 40) von Jefu Wiederkunft als einer Veranstaltung,,,die Menfchen zu bestrafen oder zu befeligen," u. f. w. fpricht: denn hier ift das, was den alten harten Dogmen in löblicher Abficht untergelegt wird, bey weitem weniger fafslich, als es zur Befeitigung ihres eigentlichen Sinnes zu wünschen wäre. Doch diefe kleinen Flecken wird der Vf., der fich als chriftlicher, nur auf die Hauptfache im Chriftenthum hinarbeitender Lehrer feines Gegenftandes fo gefchickt zeigt, mit leichter Mühe felbft zu verwifchen wiffen und feinem fonft fo fehr gelungenen Lehrbuche mehr durch Hinwegnehmen als durch Hinzuthun, und durch deutlichere Beftimmung des Gegebenen und Beybehaltenen die ihm noch mangelnden Vorzüge mitzutheilen gar wohl im Stande feyn.

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PREDIGERWISSENSCHAFTEN.

BERLIN, b. Oehmigke: Winke für deutsche Prediger, und Solche, die es werden wollen, grösstentheils von Kanzelrednern anderer Nationen; nebft Pascal's Gedanken über Religion. 1820. 57 S. 8. (6 Gr.).

Des Sammlers und Herausgebers, der fich am Ende des kurzen Vorworts D. unterzeichnet, frommer Sinn und gute Abficht leuchtet zu fehr aus diefer kleinen Schrift hervor, und der wohlthätige Zweck, der durch die Herausgabe diefer wenigen Bogen erreicht werden foll, nämlich eine vor einigen Monaten errichtete Wartungsanftalt für unmündige Kinder und die damit verbundene Armenfchule zu unterftützen, ift zu preiswürdig, als dafs man darüber rechten follte, wenn auch in den gefammelten Gedanken nicht alles von gleichem Gehalte und gleicher Beachtung werth feyn follte. Gar viel Beherzigungswerthes, fowohl für Prediger als Nichtpredi"ger, ift allerdings unter diefen Gedanken anzutreffen, wie fich fchon vorausfetzen lässt, wenn man nur die Namen Boffuet, Fenelon, Maffillon ú. a. hört, aus deren Schriften die hier aufgeftellten Bemerkun gen genommen find. Wir können daher das kleine Werkchen, wenn gleich nur Compilation, befonders angehenden Kanzelrednern mit gutem Gewiffen empfehlen. Sehr zu beachten, befonders von manchen unzeitigen Eiferern unferer Zeit, möchte das Wort feyn, welches (S. 30) aus dem Traité de l'education des Enfans des Herrn von Croufax (Tom. II. p. 538) angeführt wird:,,Sanftmuth mit Gleichgültigkeit für Licht und Wahrheit gepaart, ift eine verächtli che Weichlichkeit; aber Eifer für Licht und Wahrheit, dem Bruderliebe abgeht, ift Wuth, welche der evangelische Geift verabscheut. - Unter den am Ende beygefügten Gedanken Pascal's findet fich (S. 56. Nr. 10) einer, der, an fich fchon unrichtig, wahrfcheinlich durch einen Ueberfetzungsfehler noch unrichtiger geworden ift. Er lautet fo: „Welche Kälte, welche Verhärtung gehört dazu, weder bey der Ueberredung der Orakel, welche die Kirchenväter ausfprachen, noch bey den lauten und kräftigen Mahnungen des Evangelii im Unglauben zu beharren!" Wer keines von beiden thut, der ift ja gewils nicht verhärtet. Der Ueberfetzer läfst alfo feinen Schriftfteller etwas fagen, was er gewils nicht fagen wollte. Die Orakel der Kirchenväter und die Ueberredung derfelben wollen wir übrigens dem gläubigen Katholiken gern zu gut halten.

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Der Wallfahrtsort Vierzehn Heiligen, nach vorgeblich dreymaker Erfcheinung derfelben in Fran

Kenthal auf einem Berge zwifchen Staffelstein und Lichtenfels in der Diöces Bamberg im J. 1446 unter dem Abte Friedrich III. von Langheim geftiftet, wurde diefe lange Zeit ununterbrochen von Millionen Andächtigen und Frömmlern belucht. Die zahlreichen Wunderkuren, welche in Folge des Befuches diefes heiligen Ortes vorgekommen zu feyn fchienen, wurden von den Conventualen Langheims in chronologifcher Ordnung niedergefchrie: ben, und als Anhang eines Gebetbuches (des foge nannten Vierzehn Heiligen - Buches) durch Abdruck der Mit- und Nachwelt mitgetheilt. Solche Bücher erschienen zu Nürnberg 1519 in 4, zu Bamberg 1596 in 12, eben fo 1633, zu Würzburg 1653, zu Bamberg 1685, zu Würzburg 1702, zu Bamberg 1728, 1752 und 1772, welches letztere, betitelt: das wun derthätige Frankenthal, fich bis auf unfere Zeiten erbielt, weil auf Kosten der Abtey Langheim eine hinlänglich grofse Auflage davon veranstaltet worden

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war. Ihm foll die fernere Exiftenz durch vorlie gendes Frankenthal oder Vierzehn- Heiligen" ftrei tig gemacht werden, an welchem jedoch Druck und Papier einen höhern Werth hat, als der Text. Diefer nämlich ift ein fehr magerer Auszug aus obengenanntem Buche das Gefchichtliche der Entstehung des Wallfahrtsortes füllt einen, die Ge bet formeln füllen zwey Bogen. Der Vf., den fränkifche Zeitungen einen penfionirten Domherrn nen. nen, fuchte fein in einer geschraubten und schwer. fälligen Schreibart abgefafstes Werkchen durch vier Kupfer zu verfchönern, welche 1) die Kirche, 2) das Thal zwifchen Banz und Vierzehn-Heiligen, 3) ein in der Mitte der Kirche befindlichen GnadenAltar, 4) den Grundrifs der Umgebungen von Vierzehn Heiligen darftellen. Bey dem erften Anblicke gefallen fie, es fehlt ihnen aber das Gepräge der Wahrheit.

LITERARISCHE NACHRICHTEN...

I. Universitäten.

Berlin.

Hr. Prof. A. W. von Schlegel bey danger Universität,

welcher mit Königl. Genehmigung eine Zeitlang Vorlefungen zu Bonn gehalten, hat um feine Entlaffung angelucht, und geht nach Paris.

Halle.

Unter dem Decanat des Hn. Dr. Gefenius war für die hiesigen Theologie Studirenden folgende Preisaufgabe bekannt gemacht worden: Praemiffa brevi difputatione de hiftoria et indole Bibliorum verfionis lutheranae, fiat periculum quaedam ejus capita Speciminis loco fint Gen. I-IV. et oratio Jefu Chrifti de monte habita) ita refingere et emendare, ut falva antiqua hujus interpreta. tionis dignitate et gravitate, tamen et perfpicuitati et hodiernis philologiae facrae profectibus magis fatisfiat. Zu Beantwortung derfelben find vier Abhandlungen ein gelaufen, von denen fich zwey gleich vortheilhaft, wiewohl in verschiedenen Rückfichten, auszeichneten, Die Facultät kam deshalb überein, diefes Mal ausnahmsweise die ausgefetzte halbjährige Preisfumme von so Rthlrn. unter beide Vff., Hn. F. J. Müller aus Oftfriesland, und Hn. L. H. Eggert aus Quedlinburg, ganz gleich zu vertheilen.. Unter den über den Text Jacob. 2, 14. 15 eingelaufenen, fünf Predigten zeichneten fich ebenfalls zwey vorzüglich aus, denen angemeffene Prämien zuerkannt wurden..

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Der bisherige Rector des Lycei zu Torgau, Hr. Friedr. Lindemann, durch die Herausgabe der kleinern Schriften des Prifcianus (Lugduni Batav. 1818) auch als Kritiker bekannt, ift fechfter Profeffor an der Königl. Landschule zu Meissen geworden.

Dem verdienten Appellat. Rath und Ritter des Königl. Sächfifchen Civil. Verdienstordens, Hr. Dr. Domkapitel übertragen worden. Kind, ift die Würde eines Dechanten bey dem Zeitzer Domkapitel übertragen worden. (Domherr war er feit dem J. 1794.) ·

Der durch mehrere theologische Schriften und hauptächlich durch feine Predigtentwürfe über die Sonn- und Feftagsepifteln (1805-1815) bekannt gewordene Paftor zu Wermsdorf bey Grimma, Hr. M. Karl Chriftian Seltenberg, ift Herzogl. Anhalt. Confiftorialrath und Superint in Zerbft geworden, und im October v. J. bereits dahin abgegangen.

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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

RECHTSGELAHRTHEIT.

Januar 18 20.

LEIPZIG, b. G. Fleischer d. j.: Prüfung der Gutachten der königl. preuß. Immediat Juftiz Commiffion am Rhein über die dortigen Juftiz- Einrich tungen durch Dr. M. C. F. W Grävell, Königl. Preufs. Regierungsrath. 1819. Erster Theil. XXXIV u. 384 S. Zweyter Theil. XXX u. 442 S. 8.

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ie Gutachten der in der Ueberfchrift erwähnten Commiffion find dahin ausgefallen, dafs die franzöfifchen Einrichtungen der Rechtspflege, wel che in den mit dem preufsifchen Staate vereinigten Rheinländern beftehen, im Ganzen genommen beyzubehalten feyen, und dafs namentlich diejenigen öffentlichen mündlichen Verhandlungen vor Gericht, wodurch fich die franzöfifche Gerichtsverfaffung von der preussischen unterscheidet, und die Gefchwornen Gerichte bey Straffachen, vor unfern Einrich tungen den Vorzug verdienen. Der Vf. des vorliegenden Werkes ift ganz entgegengesetzter Meinung. Um fich zu einem gründlichen und entfcheidenden Urtheile über die Sache den Weg zu bahnen, entwickelt er in dem erften Abschnitte die ,,Grundzüge zur Metaphyfik der Rechtspflege, fo weit fie zur Sache gehören, im Zufammenhange. Im zweyten Abschnitte giebt er eine,,Ueberficht der Gefchichte der Juftizverfaffung und der Form der Rechtsverwaltung in Deutfchland; da fo viele unrichtige historische Behauptungen (z. B. dafs das Gefchwornengericht eine altdeutsche Einrichtung fey) fich in den Streit eingefchlichen haben." In den folgenden Abschnitten werden die obgedachten Gutachten einzeln geprüft; und der letzte Abschnitt giebt eine Ueberficht derjenigen Veränderungen in der preussischen Einrichtung der Rechtspflege, welche aus den angestellten Unterfuchungen fich als wünschenswerth ergeben..

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Die von dem Vf. fogenannten Grundzüge zur Metaphyfik des Rechts find die allgemeinen, unbedingten Gebote der Vernunft, nach welchen jede Rechtspflege eingerichtet feyn foll, und welchen alfo keine Macht fich entziehen kann, ohne zu der Unvernunft hinab zu finken. Der Vf. hat diefe Grundfätze, fo wie er fie aufftellt, in allen nachfolgenden Unterfuchungen mit fo ftrenger Folgerichtigkeit, mit fo tief eindringendem Scharffinne und mit fo umfaffender Umficht angewandt, dafs fich gegen feine Folgerungen Nichts einwenden läfst, fobak man ihm jene Grundfätze zugiebt. Es kommt alfo Alles A. L. Z. 1820. Erfter Band.

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auf diefe Grundfätze an; weswegen wir auch nur bey ihnen verweilen wollen. Es find aber diefelben nicht allein in fich felbft fo feft begründet, fondern heit dargestellt, dafs, nach unferer Einficht, jeder auch von dem Vf. mit folcher Bestimmtheit und KlarUnparteyifche, der urtheilsfähig ift, ihnen beyftimmen mufs. Wir find daher überzeugt, dafs der Vf. die Vorzüglichkeit der preufsifchen Gerichtsverfaffung vor der französischen vollkommen fiegreich bewiefen hat.

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Die Hauptgedanken aus der Metaphyfik der Rechtspflege find ganz kurz folgende: Die Staatsgewalt foll alle Rechte ihrer Unterthanen fichern und fchützen. Das ift ihr höchfter Zweck. Daher ift fie verpflichtet, dafs fie in jedem gegebnen Falle, der ihre Hülfe in Anfprech nimmt, das Recht eines Jeden zu erkennen ftrebe, und alfo auch Unterfuchung fich zum Grundfatze mache. Recht aber einem Jeden zuftehe, das darf fie nur Welches nach bestehenden Gesetzen, deren Anwendbarkeit auf die gegebnen Fälle fie deutlich durch Vernunft erkannt hat, allo, nur nach objectiven Gründen be ftimmen. Denn fonft wäre Niemandes Recht gefichert, indem fubjective Gründe und die darauf beruhenden Urtheile veränderlich und unficher find; und folglich würde dann die Staatsgewalt ihrem höchften Zwecke, um deffentwillen fie felbft nur besteht, widerfprechen. Es darf aber die höchfte Gewalt nicht felbft richten. Denn ihre Richterfprüche würden. eben darum, weil fie von der höchften Gewalt gegebne Beftimmungen wären, felbft Gefetze, und nicht Ausfprüche nach fchon beftehenden Gesetzen feyn, was fie doch fchlechterdings feyn follen. Sie mufs daher zur Ausübung der Rechtspflege befondre. Behörden, Gerichte genar.nt, anordnen. Natürlich müffen diese so eingerichtet feyn, dafs fie den Pflichten genügen, welche die Staatsgewalt felbft auf fich hat, fo wie es fich von felbft verfteht, dafs ihre Vollmacht nicht weiter gehen kann, als die Befugniffe der Staatsgewalt, ihrer Machtgeberin, felbft. Folg lich mufs (1. Th. S. 9.), jeder im Staat angeordnete Richter von Amtswegen alle Mähe anwenden, die wahre Befchaffenheit deffen, worüber er Recht fprechen foll, zu erforschen; und darf feinen Ausfpruch nur auf objective Gründe, nicht auf feine fubjective Meinung gründen." folche Gerichtsverfaffung möglich zu machen, mufs Um eine die höchfte Gewalt nicht allein die Rechte felbft, fondern auch die Art, wie fie erkannt werdén follen, durch Gesetze bestimmen; welche letztern Gefetze die Gerichtsordnung ausmachen. Denn ohne

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eine folche Gerichtsordnung würde der Richter bey Ausmittelung des Rechts in gegebuen Fallen nach Willkür, und überhaupt, nach fubjectiven Gründen verfahren können, auf welchen dann feine endlichen Ausfprüche mit beruhen würden; und das foll fchlechterdings nicht feyn. Aus eben dem Grunde darf auch die höchste Gewalt felbft bey Bestimmung der Gerichtsordnung nicht nach Willkür verfahren, fondern darf nur folche Formen vorfchreiben, welche zur Erkenntnifs des Rechts in der That noth

wendig, wenigftens dienlich find. Sie foll dabey nicht von dem Grundfatze des Misstrauens gegen die zu bestellenden Richter ausgehen, und eben fo wenig von der Vorausfetzung ganz aufserordentlicher geiftiger und fittlicher Vollkommenheit, fondern foll die Menfchen nehmen, wie fie der Regel nach wirklich find (S. 14 u.f. w.) Denn fonft würde fie nicht nach objectiven (aufser ihr in der That Statt habenden) Gründen verfahren. Damit aber, ohne der Gerichtsordnung das Mifstrauen als Princip zum Grunde zu legen, die Rechte Allen gefichert bleiben, ift zuvörderft im Allgemeinen die Einrichtung fo zu treffen, dass alle äufsern Urfachen, die in gegebnen Fällen den Richter verdächtig machen könnten, fich durch fubjective Gründe (als Eigennutz, Furcht, Freundschaft, Feindschaft, u. f. f) bestimmen zu laf fen, fo viel als möglich aus dem Wege geräumt oder unwirksam gemacht werden. Daher (S. 17) foll 1) die Gerichtsverfassung durchaus keine Vortheile oder Nachtheile für den Richter mit feiner Amtsverwaltung verbinden; 2) full der Richter, als folcher, von allen äussern Einflüffen, ganz befonders von dem Einfluffe der Staatsgewalt felbft, durchaus unabhängig seyn; 3) bey jedem, nur einigermafsen begründeten Mifstrauen gegen einen Richter foll der Verwerfung (Perhorrefcenz) deffelben gewillfahrt werden. Denn eine Verfaffung wodurch fchlechterdings alle Urfachen zum Misstrauen weggefchafft oder unwirkfam gemacht würden, ift für keine menfchliche Weisheit erreichbar. Doch ift diefs noch nicht hinreichend. Denn die höchfte Gewalt foll zur Siche rung der Rechte Alles thun, was fie kann; und fie kann noch mehr thun. Nämlich fie foll 1) eine Aufficht auf die Richter infoweit ausüben, als nöthig ift, fie bey Verletzung ihrer Pflichten, oder Ueberfchrei tung ihrer Befugniffe zur Verantwortung ziehen zu können; 2) foll fie Controllen einführen; jedoch, wie fich aus dem Obigen von felbft versteht, nicht nach Willkür, und nach dem Grundfatze des Mifstrauens, fondern nach objectiven Gründen, nur folche, die zur Sicherung des Rechts in der That dien lich und nöthig find; als a) eine fachliche Controlle, welche (S. 24) darin besteht, dafs ,, alle Verhandlungen, welche auf die Beftimmung des Richters EinAufs haben können, durch die Schrift vor der Vergänglichkeit, Vergeffenheit oder Ableugnung ficher geftellt werden;" b) perfönliche Controllen, theils der Richter unter einander felbft, theils der Richter durch die Parteyen und ihre Sachwalter. Wie diefe Controllen einzurichten feyen. Ferner 3) foll fie

Berufung an einen höhern Richter geftatten in allen Sachen; und 4) der Rechtspflege Oeffentlichkeit geben; aber wiederum nur diejenige, die aus objectiven Gründen als zweckmäfsig erkannt werden kann. Daher „fobald die Gerichte irgend einen Act vollbracht haben, fey Jedermann, den der Inhalt betrifft, berechtigt, ihn aller Welt vor Augen zu legen, und um diefs bequemer zu können, denselben durch den Druck bekannt zu machen." (S. 46.) Bey dem Kriminalverfahren ist indeffen diefe Oeffentlichkeit noch nicht hinreichend. Denn theils stehen hier die wichtigsten Güter, Leben, Freyheit und Ehre, auf dem Spiele, theils erfcheint der Staat felbft als Partey, indem er dadurch beleidigt ist, dass seine Gefetze durch den Verbrecher verletzt find, und feine Ehre erfodert daher, Alles anzuwenden, den Unterthanen die volle Ueberzeugung zu geben, dafs recht gerichtet werde, und ganz befonders, wenn von Staatsverbrechen die Rede ift; theils endlich ift jedem einzelnen Bürger, um feiner eignen Sicherheit willen, daran gelegen, dafs jedes Verbrechen gesetzlich beftraft werde, (indefs ihm der Ausfall anderer Rechtsfachen an fich gleichgültig feyn kann); er hat daher das Recht, diefs von dem Staate zu fodern, und davon, dafs und wie es gefchehe, vollständige Kenntnifs zu nehmen. Daher ist es zweckmässig, und folglich von der Staatsgewalt zu fodern, dem Kriminalverfahren, aufser der vorgedachten Oeffentlichkeit, auch noch diefe zu geben (S. 57), dafs ,, nach beendigter Untersuchung der ernannte Referent in öffentlicher Sitzung, in Gegenwart des Angeklagten und feines Vertheidigers einen vollständigen Aktenauszug, mit Einbegriff der, schriftlich zu den Akten gebrachten Vertheidigung vorträgt, und die dabey von dem Vertheidiger oder feinem Clienten gemachten Bemerkungen registrirt werden; und, wenn demnächft die nothwendigen Confrontationen mit den Zeugen geschehen, und endlich, nachdem das Gericht in einem andern Zimmer das Erkennt nifs, auf den weitern Vortrag des Referenten in jure, gefällt hat, deffen Ausfall öffentlich bekannt gemacht wird." Durchaus verwerflich hingegen ift das Verlangen, dafs die Unterfuchung felbft, fo wie die Vertheidigung der Angeklagten mündlich und öffentlich vor dem erkennenden Richter und den verfammelten Zuhörern vor fich gehen follen. Denn a) ift diefs naturwidrig. Das Schaffen verrichtet die Natur im Verborguen, erft das Gefchaffene stellt fie an das Tageslicht; b) ift diefe Art von Oeffentlichkeit eine ganz unnütze, und alfo eigentlich gar keine Controlle für die Richter. Denn aus der dramatischen Darstellung der zu beurtheilenden Sache vor den verfammelten Richtern und Zuhörern können die letztern keine fo klare und bestimmte Vorftellung davon auffaffen, dafs fie zu beurtheilen vermöchten, ob der Ausfpruch der Richter gerecht fey, oder nicht. c) Die gedachte Oeffentlichkeit ist fchadlich. Denn die dramatifche -Darstellung der Sache, welche dabey gefodert wird, besticht das Urtheil der Zuschauer. Der gebeugte Greis, die Schon

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