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dem t entsprechenden Lauten: k>h (S. 59, Fussnote 2) oder 9, pf oder b (g Reibelaut wie in dänisch bage, b ein entsprechender „offener" Laut) und ferner mit s> s oder z (d. h. stimmhaftem, weichem" s), welch letzterer Laut sich im Nordischen und Deutschen weiter in r verändert hat. Wenn wir also z. B. in der Verbalflexion Formen haben wie altenglisch sleán (ursprünglich slahan) 'schlagen', Präteritum slóh, 1. Pers. pl. slógon, altisl. (diese Sprache hat h im Auslaut abgeworfen) slá, sló, slógun, dänisch slå, slog (mit einem aus den Pluralformen übertragenen g) oder althochdeutsch ziohan, zôh, zugum, jetzt ziehen, zog, zogen (mit analogischem Ausgleich zwischen Singular und Plural) oder altisländisch kjósa 'wählen, küren', kaus, kurum, so beruht der hier auftretende Konsonantenwechsel auf ganz denselben uralten Akzentverhältnissen, wie wir sie in Sanskritformen wie bódhati (mit ō aus ursprünglichem eu) 'er erwacht', perf. bubodha (mit ō aus ursprünglichem ou), plur. bubudhimá finden. Dieses ganze Akzentuationssystem muss in den germanischen Sprachen seit vielleicht mehr als anderthalb tausend Jahren aufgegeben worden sein, und doch sehen wir, dass seine Nachwirkungen noch heute fortbestehen.

All dies, was ich hier nur durch wenige Beispiele in aller Kürze andeuten konnte, hat, wie schon wiederholt im Vorhergehenden gesagt wurde, ein ganz neues Licht auf die lautliche Seite der Sprachentwicklung und auf die Gesetzmässigkeit geworfen, die in den einzelnen Fällen sowohl im Geltungsgebiet der Lautübergänge als auch in ihren Ursachen herrscht. Man hat gesehen, dass man es wirklich mit dem, was man Lautgesetze genannt, zu tun hat oder zu tun haben kann, und dass dieser Begriff mit ganz anderer Schärfe zu fassen ist, als man dies vorher getan hatte.

Hier stehen wir bei einem Punkte, der eine Zeitlang in ganz besonderem Masse zum Schlagwort für die sogenannte „junggrammatische" Richtung wurde, nämlich dem Satz1): „Die Lautgesetze wirken ausnahmslos" oder „mit blinder Notwendigkeit" oder, wie es auch ausgedrückt wurde: „Der gleiche Laut wird in gleicher Stellung zu gleicher Zeit und am gleichen

1) Vgl. darüber NYROP, Adjekt. könsböjn., S. 3 ff. [HOLGER PEDERSEN, ang. Werk, S. 69 ff.]

Thomsen, Geschichte der Sprachwissenschaft.

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Ort immer dasselbe Resultat ergeben". Die Ausnahmen, die tatsächlich fast immer vorkommen, beruhen auf dem Eingreifen anderer Faktoren, so namentlich in hohem Masse auf Analogie, aber auch auf der Kreuzung verschiedener Lautgesetze, dem Einfluss anderer Dialekte oder der Kultur- oder der Schriftsprache u. ä. Über den erwähnten Satz fand durch ein Jahrzehnt eine eifrige Auseinandersetzung statt; selbst von verschiedenen Männern, die sich sonst dem Geiste und der Methode der neuen Richtung anschlossen, wurde die Formulierung angefochten. 1) Aber nach und nach erstarb der Streit und eine Reihe von Jahren hindurch hat sodann in dieser Sache Ruhe geherrscht. Viel Arbeit und viel Scharfsinn, aber auch viele haltlose Hypothesen hat man aufgewendet, um Lautgesetze in den verschiedenen Sprachen oder Sprachperioden von den jüngsten bis zu den ganz vorhistorischen nachzuweisen oder um Ausnahmen von solchen Lautgesetzen zu erklären, und praktisch hat man sich auf allen Seiten in seinen Untersuchungen getreulich an die anerkannten Lautgesetze gehalten, aber theoretisch jede Formulierung eines allgemeinen Prinzips umgangen. Die Frage wird jedoch wieder aufkommen, wie die wachsende Empirie mehr Mittel zu ihrer Beantwortung an die Hand gibt, und es wird dann gelten, sich darüber klar zu werden, welche Ursachen im einzelnen Falle einer Lautbewegung zugrunde liegen, auf welchen Wegen sich diese über alle Individuen einer Sprachgemeinschaft ausbreitet und unter welchen Bedingungen sie nicht nur als „Tendenz" auftritt, sondern wirklich zu einem Lautgesetz wird, das sich mit zwingender Notwendigkeit überall dort geltend macht, wo die lautlichen Voraussetzungen dieselben sind. Einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Fragen hat E. WECHSSLER in einer interessanten und klar geschriebenen Abhandlung „Giebt es Lautgesetze?" 2) geliefert, einer Arbeit, die, wie man vermuten kann, den Anlass zu einer neuerlichen Untersuchung des Problems bieten wird.

1) So in Dänemark von O. JESPERSEN, Til spörgsmålet om lydlovene, in Nord. tidskrift for. filol. VII, S. 207 ff. (deutsch in Techmers Internat. Zeitschrift III).

2) Halle 1900; Sonderabdruck der Forschungen zur romanischen Philologie, Festgabe für H. Suchier.

Wie man schon seit Tausenden Jahren zu fragen begann, so fragen wir noch in der unendlichen Welt der Sprachen und werden wir da stets weiter fragen: Warum ist dies so? Wie ist dies so geworden? Auf eine Menge von Fragen, die man schon in ferner Vorzeit erhoben hat, und auf unzählige andere, von denen man sich damals noch nichts träumen liess, meinen wir nun, Antwort geben zu können. Aber je mehr sich der Ausblick über die Mannigfaltigkeit der Sprachen erweitert und je tiefer wir in ihr Inneres eindringen, desto mehr Fragen, allgemeine und besondere, erheben sich und heischen Antwort. Da gibt es Aufgaben genug, und ein grosser Teil von ihnen wird sicher mit grösserer oder geringerer Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit nach und nach seine Lösung finden; aber anderseits dürfte es auch am Platze sein, gewissen Richtungen oder Bestrebungen unserer Zeit gegenüber daran zu erinnern, dass es Grenzen für das gibt, was man wissen kann, was mehr ist als haltlose Hypothese und die Wissenschaft wirklich weiterbringt, und Punkte, wo es gilt, zu resignieren, oder wie Quintilian sagt (I, 8, 21): Inter virtutes grammatici habebitur aliqua nescire.

Register.

Die Zahlen bezeichnen die Seiten, die tiefgestellten Ziffern und Buchstaben
die Fussnoten.

Adelung, J. Chr. 40-43.

Aelius Stilo 21. 27.

Ahlqvist, A. 732.

Analogie 17-19. 21. 23. 77. 86-89.

94.

Anomalie 17-19. 21.

Apollonios Dyskolos 19f.

Araber, Sprachwissenschaft der 32.
Aristarch 18.

Aristoteles 12f.

Ascoli, G. I. 71. 82. 91.

Aufrecht, A. 66. 701.

Augustinus 25 f.

Benfey, Th. 67. 81.

Beugung s. Flexion.

Bezzenberger, A. 81.

Bibel 1f. 31. 35 f. 39.

Böhtlingk, O. 67.

Bopp, Fr. 53-57. 62. 65. 76f. 83.

86. 89.

Bréal, M. 55. 82.

Bredsdorff, J. H. 592. 62f. 871.

Brugmann, K. 70. 82. 831. 951.

Buchstaben 10 f. 16. 19f. 26. 28. 46.

50. Siehe auch Laute.

Budenz, J. 732.

Bugge, S. 70,. 82.

Caesar 21.

Castrén, M. A. 73 2.
Chrisippos 14.

Christentum 30 f. 38f.
Colebrooke, H. Th. 52.

Corssen, W. 69.

Curtius, G. 68f. 81. 831. 92f.
Delbrück, B. 81f. 831. 84.
Demokrit 8.

Diez, Fr. 71.

Dionysios Thrax 19.

Donat 22. 31.

Donner, O. 73 2.

Eilschov 43 1.

Epikuräer 13.

Etymologie 10. 14f. 22-28. 35 ff. 65.
Ferrari 35.

Fick, A. 81. 91.

finnisch-ugrische Sprachen 51. 732.
Flexion (Beugung, Deklination, Kon-
jugation) 6. 15 ff. 45. 50. 53. 60 f.
77. 85. 88.
Genetz, A. 732.

Genus (gramm. Geschlecht) 13. 50.
germanische Sprachen 50. 52. 72.
Gerner, H. 351.

Grammatik 4-7. 16-22. 31 f. 43 ff.
49 f. 54.

Griechen, Sprachwissenschaft der
5-21. 23-25.

Griechisch 23. 29. 32. 35. 48. 68 ff. 95.
Grimm, J. 51. 511. 57-62. 72.
Guichard, E. 36f.
Gyármathi, S. 44.
Hart, J. 344.

Hebräisch 2. 36-38.
Heraklit 8.

Herder, J. G. 431.

Herodian 19.

Hervás y Panduro, L. 40.

Höjsgaard 351.

Humboldt, W. v. 41. 56. 63f. 761.
Ihre, J. 35.

Inder, Sprachwissenschaft der 3-7.
24. 55. 67.

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