Page images
PDF
EPUB

In den Kämpfen mit eingeborenen Fürsten zu Anfang des 19. Jahrhunderts gelangte die holländische Regierung in den Besitz großer Landstrecken. Um die Kosten für die Verwaltung aufzubringen, wurde hier überall den Bewohnern der Anbau bestimmter Erzeugnisse vorgeschrieben, die an die Regierung zu vorher festgesetzten, sehr niedrigen Preisen abzuliefern waren. Wer der Verpflichtung nicht entsprach, wurde als Soldat ins Heer gesteckt. Gleichzeitig ordnete man die Rechtspflege der Eingeborenen. - Die unter holländischer Oberhoheit regierenden Fürsten, welche alljährlich gewisse Mengen von Waren an das Gouvernement abzuliefern hatten, brachten diese Erzeugnisse in ähnlicher Weise von ihren Untertanen auf. Die Engländer, welche 1811 den holländischen Besitz eroberten, fanden diese Einrichtungen nicht zweckentsprechend. Um größere Einnahmen zu erzielen und gleichzeitig die auf 6 Millionen Köpfe geschätzten Eingeborenen zu gewinnen, wurden 1812 den Fürsten wie Untertanen die Zwangslieferungen erlassen, die Fronarbeit abgeschafft und dafür nach ostindischem Muster eine Grundsteuer eingeführt. An die Stelle der eingeborenen Fürsten trat als oberster Eigentümer des Landes die Regierung. Sie fand die Fürsten dafür durch Geld ab und erhob von den Bauern zwei Fünftel des Ernteertrags, die in Natur oder Geld gezahlt werden konnten, als dauernde Abgabe durch europäische Beamte. 1814 entzog sie auch die Rechtspflege den eingeborenen Fürsten und schuf neue Gerichte. Die unteren Instanzen wurden mit Eingeborenen, die oberen mit Europäern besetzt. Einheimisches Recht und Gewohnheit galten als Maßstab. Kriminalverbrechen kamen vor Geschworenengerichte, in denen europäische Richter nur den Vorsitz führten.

Nach der Wiederherstellung der holländischen Herrschaft blieb es zunächst bei den von England getroffenen Neuerungen, außer auf den Molukken. Hier wurde ohne weiteres das alte Monopolsystem wiedereingeführt. Doch die finanziellen Ergebnisse der Neuerungen waren ungünstig. Die nicht mehr zum Anbau von Kaffee u. dgl. gezwungenen Eingeborenen stellten ihren Pflanzungsbetrieb ein, wenn die Behörden ihnen nicht genügende Preise für ihre Erzeugnisse zahlen wollten. Als das Mutterland dringend Geld brauchte, kehrte man daher zu dem alten System zurück. Zunächst wurde 1830 den Eingeborenen die Ablösung der Grundrente durch Abtretung eines Fünftels ihres Landes und dessen Anbau für die Regierung freigestellt. 1834 wurde das obligatorisch gemacht und allgemein durchgeführt. Die Regierung gelangte so wieder in den regelmäßigen Besitz großer Mengen von Erzeugnissen. Durch Prämien, die sie ihren Beamten je nach der Höhe der Eingänge bewilligte, spornte sie die Durchführung dieser Gesetzgebung lebhaft an. Sie gelangte in ganz Java und auch in einem Teile Sumatras zur Herrschaft und warf hohe Erträge ab. 1836 konnte Indien schon

3 Mill., 1838: 6,8 Mill., 1840: 15,742 Mill. Gulden ans Mutterland abführen. Die Eingeborenen aber hatten nicht allein die Zwangslieferungen zu leisten, sondern auch noch allerlei Arbeiten auszuführen. Ihre Häuptlinge und Behörden beuteten sie dazu mangels gehöriger Aufsicht auch noch aus, und auch, wenn sie die ihnen verbleibenden Erzeugnisse verkauften, wurden sie übervorteilt. Vergebens suchten die Gesetze von 1838 und 1863 dieser Ausbeutung der Eingeborenen zu steuern. Die Leute gerieten schließlich, als auch noch Mißernten ausbrachen, in solche Not, daß ernste Unordnungen stattfanden und die Regierung sich unter dem Druck der öffentlichen Meinung zum Einlenken genötigt sah. Der in den 30er Jahren für die Eingebornen eingeführte strenge Paßzwang, der sie an ihre Dörfer band, wurde abgeschafft, die Gewährung von Prozenten der Zwangskulturen an die Beamten, welche ganz besonders zur Bedrückung der Leute Anlaß gab, aufgehoben, und als verschiedene Waren wie Tee, Tabak, Indigo, Kaffee, Zimmet, Cochenille sich nicht mehr bezahlt machten, ihre Zwangslieferung beseitigt.1) 1867 wurden die Eingebornen von den Zwangslieferungen und -Arbeiten für ihre Häuptlinge befreit und die der Regierung zu leistende Fronarbeit von 60 auf 52 Tage herabgesetzt. 1884 wurde die Zahl auf 42, später noch weiter herabgesetzt, aber dafür ein jährliches Kopfgeld von 1 Fl. eingeführt, dessen Erträge zu Maßregeln im Interesse der Bevölkerung dienen. 1870 wurden die Regeln aufgestellt, nach welchen Eingeborenen der Erwerb ihres sonst immer als Kroneigentum geltenden Landes zu freiem Eigentum gestattet ist.2) Dazu erlaubte man den Eingeborenen die Verpachtung ihres Landes an Europäer uud stellte sie in den unmittelbar der Regierung unterstehenden Regentschaften in allen Punkten rechtlich denen in den Vasallenstaaten gleich. 1872 wurden die Frondienste zugunsten der eingeborenen Häuptlinge und Gemeinden ganz abgeschafft und dafür Bestimmungen gegen Kontraktbruch der eingeborenen Arbeiter getroffen. Im selben Jahre wurde ein europäischen Anschauungen entsprechendes Strafgesetzbuch für die Eingeborenen eingeführt. Die Erhebung der Grundsteuer wurde 1872 neu geordnet. Ihr Betrag wird nur für die Gemeinden (Dessas) veranschlagt. Die Gemeindehäupter haben die Verteilung auf die Mitglieder, je nachdem Einzel- oder Gemeindebesitz besteht, und die Erhebung vorzunehmen. Das gibt zu vielen Mißbräuchen seitens der Gemeindehäupter Anlaß. Das Kontraktbruchgesetz, welches alle Vollmachten in die Hand der Polizei legte, verursachte nicht weniger Beschwerden und wurde daher schon 1877 von der holländischen Kammer aufgehoben. Andererseits erwiesen

1) Von den Zwangskulturen bestehen heute nur noch die für Kaffee in bestimmten Gebieten. (Vgl. den Abschnitt: Landfrage).

2) Die Umwandlung ist seit 1890 zum Stillstand gekommen, da die Eingeborenen sich dagegen sträuben

sich Maßnahmen gegen willkürliche Verletzungen der Arbeitsverträge als unerläßlich. 1879 erfolgte daher eine neue Regelung der Angelegenheit. Es wurde auf Bruch der Arbeitsverträge Zwangsarbeit von 1-6 Monaten als Strafe gesetzt, aber ihre Verhängung in die Hände der Gerichtshöfe gelegt, wo größere Gewähr gegen Willkür besteht. Zugleich wurde bestimmt, daß Arbeitsverträge nur für bestimmte, ausdrücklich namhaft gemachte Fristen geschlossen werden dürfen. Die Arbeitgeber dürfen Arbeiter zwar jederzeit entlassen, haben ihnen dann aber noch für 6 Wochen Lohn zu zahlen.

1880 erging ein besonderes Gesetz zur Regelung der Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern für Ostsumatra, wo der Tabakbau damals einen besondern Aufschwung zu nehmen begann. Es bezog sich sowohl auf die aus dem holländischen Gebiete wie auf die aus China. Indien usw. stammenden Arbeiter. 1889 erging ein Arbeiter- (Kuli-) Gesetz für ganz Java. Es ist danach in jedem Falle ein schriftlicher Vertrag nötig, enthaltend Namen und Herkunft des Arbeiters und Herrn, Art der Arbeit, Stundenzahl (nicht mehr als 10) am Tage, Lohn, Art der Zahlung, Kontraktdauer (nicht über 3 Jahre), Feiertage und die Verpflichtung, den Kuli nicht von seiner Familie zu trennen. Zeiten, wo der Kuli wegen Krankheit oder Strafzeit nicht gearbeitet hat, werden nicht als Dienstzeit gerechnet. Die Verträge müssen registriert werden. Entfernung der Kulis ohne Erlaubnis vom Arbeitsorte ist verboten. Lohnabzüge sind unzulässig, eine Kontrolle vorgesehen. In Streitfällen entscheidet die Ortsbehörde oder, falls gütlicher Ausgleich unmöglich ist, das Gericht.

Der Ausgediente erhält ein Zeugnis. Falls der Kuli für seine Arbeit dauernd untauglich ist, gilt der Vertrag als gebrochen. Ausgediente, Vertragsbrecher und solche, deren Rechte der Herr verletzt, werden, falls sie nicht genügende Mittel zum Bleiben haben oder andere Arbeitsgelegenheit finden, auf Kosten der Patrone beimgeschickt. Die Strafen auf Kontraktbruch sind für die Herren 100, für die Kulis 50 Gulden (oder bis 1 Monat Strafarbeit). Andere Strafen stehen auf Widersetzlichkeit, Weglaufen, Beihilfe dabei usw.

Unterm 11. März 1891 hat das Gesetz einige Abänderungen erfahren. Nach seinem Muster sind seitdem ähnliche Verfügungen in allen niederländisch-indischen Kolonien ergangen. Die Anwerbung niederländischindischer Eingeborener für fremde Gebiete wurde 1887 von der Genehmigung des Generalgouverneurs abhängig gemacht. Diese ist nur höchst selten zu erreichen. Um allen Umgehungen zu steuern, wird das Reisen der Eingeborenen, insbesondere die unter den Mohammedanern übliche Mekkafahrt, streng überwacht.

Auf den Molukken wurde 1863 der Lieferungszwang für Nelken, die sich beim Sinken der Preise nicht mehr bezahlt machten, abgeschafft und durch ein Kopfgeld von zunächst 1 Fl. ersetzt, das bis 1868 auf

5 Fl. erhöht wurde. Das Muskatnußmonopol der Regierung fiel 1864. Die unentgeltlichen Dienstleistungen und Lieferungen wurden damals ebenfalls aufgehoben. 1880 wurde die Zahl der Frontage für Gemeindezwecke auf 60 beschränkt und versucht, Amtsmißbräuchen der Häuptlinge zu steuern.

Erreicht worden ist das mit der Arbeitergesetzgebung erstrebte Ziel in Niederländisch-Indien so wenig wie anderweitig. Immer wieder dringen Klagen über Mißhandlungen von Pflanzungsarbeitern, besonders in Sumatra, an die Öffentlichkeit. Noch vor kurzem hat Dr. jur. VAN DEN BRAND durch Schilderungen von schlimmen Ausschreitungen in Deli 1) Aufsehen erregt. Diese Schriften haben Anlaß zu einer Untersuchung von Regierungswegen gegeben und werden jedenfalls zu weiteren Verschärfungen der Gesetzgebung führen.

Seit den 70er Jahren ist die holländische Regierung eifrig bestrebt, die Erziehung der Eingeborenen zu verbessern und zu fördern. Sie sorgt allenthalben für Volksschulen und hat zur Ausbildung der Lehrer in den wichtigsten Kolonien Seminare errichtet. 1899 wurden für Schulzwecke der Eingeborenen in Niederländisch-Indien 1 382600 Fl. aufgewendet. Es gab damals für sie 5 Seminare, 4 Schulen für Häuptlingssöhne, 232 Gouvernements- und 236 Privatschulen in Java, 297 Gouvernements- und 546 Privatschulen in den Außenbesitzungen. Eine eigene sachverständige Behörde ist mit dem ständigen Studium der Interessen und Bedürfnisse der Eingeborenen und der Fürsorge für sie betraut. Die Rechtspflege wird nach ihren heimischen Überlieferungen und Gewohnheiten durch Richter aus ihrer Mitte besorgt. Nur für Europäer und fortgeschrittene, den Europäern gleichgestellte Eingeborene gilt holländisches Recht. Man ist nicht minder darauf bedacht, die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung zu heben. Eine große Partei in Holland erstrebt fortgesetzt die gänzliche Beseitigung des Systems der Zwangslieferungen (Kultuurstelsel). Es sind heute noch in Java 3681 Dörfer kultuurpflichtig, und 1126 haben für bestehende Pflanzungen zu sorgen. In Celebes ist die Zahl der noch zu Zwangslieferungen verpflichteten Orte wesentlich geringer. Die Leute erhalten für das Pikol von 113 Pfund in der Regel nur 25 Mark. Sie verwenden daher weit mehr Mühe auf die ihnen zu eigen gehörenden Pflanzungen als auf die staatlichen, deren Erträge immer geringer werden. Mit der Beseitigung der Reste des alten Zwangssystems hofft man vielfach die Möglichkeit gegeben zu sehen, daß der Kaffeebau in Indien eine allgemeine freie Volkskultur wird, die der Kolonie weit größeren Vorteil bringt als das veraltete Kultuurstelsel.

1) Die Millionen aus Deli" und die „Praxis der Kuliordonanzen“.

VI.

Die rechtliche Stellung der Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten ist im wesentlichen nach französischem Vorbild geregelt. Sie sind nicht Reichsangehörige, sondern Untertanen des Reichs und unterliegen der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung des Reichs, soweit nicht durch die Schutzverträge einzelnen Häuptlingen Sonderrechte zugestanden worden sind. Das deutsche Recht ist indessen angesichts der besonderen Verhältnisse für die Eingeborenen nicht eingeführt, sondern gemäß einer Kais. Verordnung vom 25. Februar 1896 und § 3 des Schutzgebietsgesetzes vom 25. Juli 1900 sind ihre Rechtsverhältnisse besonders geregelt worden. Die Strafgesetzgebung wird laut Verordnung vom 22. April 1896 geübt vom Gouvernenr, den Bezirksamtmännern und Expeditionsführern. Als Strafen sind Prügel, Geldbuße, Haft mit Zwangsarbeit, Kettenhaft, Tod vorgesehen. Gegen Araber und Inder ist die körperliche Züchtigung ausgeschlossen, desgleichen gegen Frauen. Leute unter 16 Jahren dürfen nur mit Ruten gezüchtigt werden. Die Todesstrafe darf nur der Gouverneur verhängen. Bei den Verhandlungen sind die einheimischen Häuptlinge und Notabeln zuzuziehen, und es muß ein Protokoll geführt werden. Das Urteil erfolgt schriftlich. Bei eingeborenen Arbeitern ist körperliche Züchtigung und Kettenhaft bis zu 14 Tagen als Disziplinarstrafe zulässig. Zur Herbeiführung von Geständnissen sind ferner nur die Maßnahmen der deutschen Prozeßordnungen erlaubt und Verdacht- oder außerordentliche Strafen verboten. In Südwestafrika haben sich die Häuptlinge die Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen vorbehalten, in Neuguinea und auf den Marshallinseln haben die Kompagnien die Angelegenheit schon 1890 geregelt. In Kamerun und Togo sind den Häuptlingen weitgehende Vollmachten eingeräumt worden. Sie entscheiden bei Streitigkeiten zwischen Eingeborenen als erste Instanz in den kleineren Sachen. Die Berufung erfolgt an Eingeborenenschiedsgerichte, die auch in größeren Sachen entscheiden.

Besondere Gesetze regeln in den einzelnen Schutzgebieten Fragen lokaler Natur. So wurde in Kamerun 1886 angeordnet, daß verpfändete Waren immer binnen Jahresfrist einzulösen sind; in Ostafrika wurde 1893 eine Verordnung betr. die Behandlung der Nachlässe Farbiger erlassen.

In allen Schutzgebieten ist es im Interesse der Eingeborenen wie der Verwaltung verboten, Land von letzteren ohne Genehmigung der Regierung zu erwerben. Ferner sind in dem größeren Teil von Südwestafrika den Stämmen bestimmte größere Gebiete zu dauerndem und unveräußerlichem Besitz zugeteilt werden. In Ostafrika und Kamerun ist das Gleiche wenigstens in den Pflanzungsdistrikten geschehen. (Vgl. den Abschnitt: Landfrage). Ebenfalls im Interesse der Eingeborenen ist ihre Anwerbung als Arbeiter ohne Zustimmung des Gouvernements verboten und der In

« PreviousContinue »