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wurde, wurde die Kompagnie dagegen beim Parlament vorstellig und bezeichnete die Sache als the maddest, most extravagant, most expensive, most unwarrantable project that was ever proposed by a lunatie enthusiast. Trotz ihres Widerstandes bestimmte das Parlament 1813 die Zulassung und Förderung christlicher Mission in Indien. 1) Seitdem sind eine Menge englischer wie ausländischer Missionsgesellschaften in Indien tätig, haben aber angeblich verhältnismäßig geringen Erfolg. Eine große Schwierigkeit, mit der die Eingebornenpolitik in Indien zu kämpfen hat, sind die periodisch wiederkehrenden Hungersnöte. Klimatische Ursachen, besonders das Ausbleiben der Sommerregen, bewirken von Zeit zu Zeit in der einen oder der andern Gegend übermäßige Trockenheit und Mißernten, denen bei der Armut der ländlichen Bevölkerung früher besonders große Menschenmassen zum Opfer fielen. 1771 sollen in Bengalen 20 Millionen Menschen einer Hungersnot zum Opfer gefallen sein. Von damals bis zur Gegenwart haben die indischen Behörden mit nicht weniger als 24 solchen Heimsuchungen zu rechnen gehabt, die gelegentlich verschiedene große Provinzen in Mitleidenschaft zogen.2) Das wichtigste Mittel, solchen Notständen vorzubeugen, sind große Bau- und Bewässerungsanlagen, Forstkulturen und die Verbesserung der Verkehrsmittel. Man hofft auf diese Weise teils die Regenmenge zu fördern, teils die waldlosen Gegenden vom Regenwasser unabhängig zu machen und eine bessere Verteilung der Ernten zu bewirken. 1895,96 befanden sich schon 15155000 Ares Landes unter künstlicher Bewässerung, und Indien verfügte über ein Bahnnetz von 20000 Meilen. Alle diese Maßregeln erfordern aber ungeheure Geldmittel, und es dauert lange Zeit, ehe sie so weit vorgeschritten sind, um eine genügende Wirkung auszuüben. Weitere gelegentliche Notstände sind daher für absehbare Zeit nicht zu vermeiden, und es mußte Vorsorge getroffen werden, ihnen zu begegnen.

Zu diesem Zwecke hat die indische Regierung im ganzen Lande einen sehr leistungsfähigen statistischen Dienst geschaffen, der über Saatenstand, Ernteaussichten u. dgl. genau Buch führt und in der Lage ist, das Eintreten einer Mißernte mit Sicherheit vorherzusehen. Sobald die Ernteaussichten bedenklich werden, ist den sämtlichen Behörden jeder Provinz der einzuschlagende Weg genau vorgezeichnet in einem „Famine Code." Dieses Reglement schreibt jeder Behörde vor, was sie zu tun hat, damit für Zufuhr von Nahrungsmitteln, Beschäftigung der hungerleidenden Bevölkerung, Verhinderung von Seuchen, Sicherheit u. dgl. schleunigst die nötigen Maßregeln getroffen werden. Dank diesen aus

1) Empire Review 1901. S. 129. Bishop of Calcutta on christian Missions. 2) Vgl. ZIMMERMANN, Kolonialgeschichtliche Studien. Oidenburg und Leipzig 1895. S. 89 ff.; ders., Weltpolitisches. Berlin 1901. S. 102 ff.

langen Erfahrungen hervorgegangenen Codes wird heutzutage eine Sterblichkeit und ein Elend, wie es früher bei jeder Mißernte eintrat, vermieden und Mißgriffen der Behörden von vornherein ziemlich vorgebeugt. Jeder Beamte weiß jetzt in Indien, was er in Notzeiten zu tun hat. Öffentliche Arbeiten, bei denen die von der Not Betroffenen beschäftigt werden können, sind überall vorbereitet, und auch einem Versagen des Sanitäts-, Sicherheitsdienstes und des Verkehrswesens ist so gut wie vorgebeugt.

In seinem afrikanischen Besitze wendet England der Lage der Eingeborenen seit längerer Zeit größere Aufmerksamkeit zu. Der erste Anlaß dazu ergab sich in der Kapkolonie. Die weißen Ansiedler hatten hier von jeher mit den Eingeborenen, die sie gewaltsam immer weiter zurückdrängten, im Streit gelegen. Sehr häufig fanden blutige Zusammenstöße statt, und immer aufs neue mußten Feldzüge gegen die tapferen Kaffernstämme an der Nordgrenze unternommen werden. Als die Kolonie 1806 dauernd in englischen Besitz kam, nahm sich die Mission der Eingeborenen an. Sie veröffentlichte haarsträubende Schilderungen von den Grausamkeiten, welche die Kolonisten gegen sie verübten. Die Ansiedler erklärten hiergegen, daß sie ohne äußerste Strenge gegen die Faulheit, Hinterlist und Dieberei der Eingeborenen machtlos wären. Die englische Regierung veranstaltete daraufhin 1809 eine Untersuchung über die Sachlage. Es ergab sich, daß neben den zahlreichen Sklaven, welche teils von auswärts eingeführt, teils im Kriege erbeutet waren, noch ansehnliche Reste der ursprünglichen Hottentottenbevölkerung vorhanden waren. Diese Leute waren rechtlich frei und unterstanden ihren eigenen Häuptlingen in reservierten Gebieten. Sie waren auf Grund der früber von der holländischen Regierung mit ihnen getroffenen Abmachungen weder zu Steuern noch zu Arbeiten für die Kolonie verpflichtet. Im Laufe der Jahre aber war die Autorität der Häuptlinge erloschen, die Reservate waren von Ansiedlern besetzt, die Hottentotten selbst führten ein zigeunerhaftes Vagabundenleben. Die Kolonisten suchten die Leute mit Gewalt von ihren Ansiedlungen fernzuhalten oder zwangen sie gelegentlich rücksichtslos zur Arbeit. Die englische Regierung suchte dem Übel dadurch zu steuern, daß sie die Leute wieder auf bestimmte Wohnsitze verwies, deren Verlassen ohne Genehmigung verbot und Pässe einführte. Sie stellte sie außerdem in allen Rechten und Pflichten den Weißen gleich und führte für die jüngeren Leute einen bestimmten Arbeitszwang ein. Gleichzeitig wurden aber die Kolonisten, soweit ihnen Verschuldungen nachgewienen waren, streng bestraft.

Diese Maßregeln halfen nicht für lange und übten keine Wirkung in den Grenzdistrikten, wo es sich um die freien, unbezwungenen Kaffernstämme handelte. Hier drängten die Ansiedler ununterbrochen vorwärts. Die Kaffern rächten sich durch Überfälle und Viehdiebstähle,

wofür die Kolonisten sie bei erster Gelegenheit niederschossen. Um hier Ruhe zu bekommen, mußte 1811-12 ein blutiger Krieg geführt werden, wobei etwa 20 000 Kaffern ihres Besitzes beraubt und ins Innere getrieben wurden. Hinsichtlich der Hottentotten stellte sich eine neue Untersuchung als nötig heraus. Es kamen dabei so arge Ausschreitungen zutage, daß schließlich 15 weiße Männer und 2 Frauen wegen Mordes, 13 weiße Männer und 2 Frauen wegen roher Mißhandlungen von Eingeborenen vor Gericht gestellt wurden. Das Verfahren, bei dem über 1000 Zeugen vernommen wurden, ergab nur in einigen wenigen Fällen Material, das zu Verurteilungen ausreichte. Vielfach wurde festgestellt, daß die Missionare ziemlich fahrlässig bei der Sammlung ihrer Beschwerden vorgegangen waren. Doch immer aufs neue wurden Klagen über Mißhandlung der Eingeborenen laut, und gegen eine von der Regierung aus Hottentotten gebildete kleine Truppe trat wiederholt ein grenzenloser Haß seitens der Ansiedler deutlich zutage. Immer neue Zusammenstöße zwischen Regierung und Kolonisten fanden wegen der Eingeborenenfrage statt. Die Regierung sah sich bei der allgemeinen Mißstimmung 1817 zur Wiederauflösung des Hottentottenregiments genötigt. Auf öffentliche Anklagen eines Missionars in England hin, veranlaßte das englische Parlament 1828 eine Verordnung, daß die Eingeborenen Südafrikas dieselben Rechte wie die Weißen genießen sollten. Es wurden auf Veranlassung Englands hin damals auch nähere Bestimmungen über Dauer von Dienstverträgen mit Eingeborenen, Lohn, Arbeitszeit u. dgl. getroffen. Viel geholfen scheint auch diese Maßregel nicht zu haben. Die Klagen dauerten fort, und die Furcht, die Eingeborenen ganz dem Belieben der Kolonisten auszuliefern, hat dazu beigetragen, wenn die englische Regierung zögerte, der Kolonie größere Freiheit in der Selbstverwaltung einzuräumen.

Schließlich war dieser Schritt nicht zu umgehen, die Regierung hat aber fortgesetzt darüber gewacht, daß die Kolonie keine Maßregeln traf, welche das Selbstbestimmungsrecht der Eingeborenen beeinträchtigten. Es ist bekannt, daß diese Politik nicht wenig zu der Wanderung vieler Kolonisten ins Innere und der Gründung der Boerenstaaten beigetragen hat. Die Ansiedler suchten eben vielfach Gebiete außerhalb des Machtbereichs der Behörden auf, wo sie nach Belieben auch den Eingeborenen gegenüber schalten konnten. Durch diese Auszügler wurden. die Eingeborenen immer weiter nach Norden gedrängt und schließlich überall gewaltsam unterworfen. Um weiteren Reibereien vorzubeugen, gelangte man sehließlich überall zur Reservierung besonderer Gebietsteile für die eingeborenen Stämme. In Natal umfaßt dieses Gebiet 2,2 Mill. Acres, ungerechnet weitere 150000 den Missionen gehörige Ländereien. Es leben auf den Reservaten etwa 170000 Eingeborene. In Zululand sind ebenfalls sehr große Reservate vorhanden. In Bechuana

land, Swaziland und dem Gebiete der Chartered Company ist das Gleiche der Fall. Nach Aufständen sind die Reservate oft zur Strafe der Beteiligten beschnitten worden. Sonst ist das reservierte Land ohne Genehmigung der englischen Regierung nicht veräußerlich. Seine Verwaltung liegt in den Händen der eingeborenen, staatlich anerkannten Häuptlinge, denen Regierungsagenten zur Seite stehen. Sklaven- und Brannt. weinhandel sind in den Reservaten verboten, und die sonst völlig freien Eingeborenen sind jährlich zur Zahlung einer Hüttensteuer verpflichtet. Daneben besteht in Natal von altersher die Verpflichtung Eingeborener zur Instandhaltung der Straßen und in Basutoland zu gewissen Fronarbeiten für die Häuptlinge. Sobald der Stand der Dinge es zuläßt, wird auch in den Reservaten das englische Strafrecht und später die übrige englische Gesetzgebung eingeführt.

In den Besitzungen Englands im tropischen Westafrika hat sich die Notwendigkeit zum Eingreifen in die Angelegenheiten der Eingeborenen weniger fühlbar gemacht, da hier weiße Unternehmungen in größerem Umfange durch das Klima verhindert werden. Hier hat daher England überall die Besitzrechte der Eingeborenen unangetastet gelassen. Brauchte man für Gebäude oder sonstige Anlagen Land, so wurde es von den Eigentumsberechtigten gekauft. Mission und Regierung sind hier seit langem mit Erfolg bemüht gewesen, die Eingeborenen zu zivilisieren. Sie haben es erreicht, daß viele von ihnen als Beamte, Richter, Anwälte, Ärzte, Geistliche und Kaufleute tätig sind und das Leben in den älteren dortigen Kolonien immer mehr europäischen Anstrich gewinnt. Eine durchgreifende Regelung der Landbesitzverhältnisse hat hier nur in der Goldküstenkolonie stattgefunden, wo die neuerliche Gründung zahlreicher Goldbergbauunternehmungen eine Klärung der Besitzrechte nötig machte. Die Untersuchung findet durch eine eigene Behörde statt und wird sehr gründlich betrieben. Zur Aufbringung der Verwaltungskosten hat man sich bis vor kurzem hier allgemein mit Zöllen, Stempelabgaben, Lizenzgebühren und dgl. begnügt. Nur in Sierra Leone und Gambia hat man, um höhere Einnahmen zu erzielen, Hüttensteuern nach südafrikanischem Muster eingeführt. In der kleinen Gambiakolonie ist das ohne große Schwierigkeiten geglückt. Die Eingeborenen halten hier auch willig die Straßen und Brunnen in Ordnung. In Sierra Leone hat dagegen die Maßregel zunächst einen Aufstand hervorgerufen, dessen Niederwerfung nicht unerhebliche Opfer gekostet hat. Von einer Ausdehnung der Hüttensteuer ist daher Abstand genommen worden. Ein in der Goldküstenkolonie 1852 mit Zustimmung der durch Gewinnbeteiligung gewonnenen Häuptlinge gemachter Versuch zur Einführung einer Kopfsteuer hat auch einen Aufstand zur Folge gehabt. Die Rechtspflege der Eingeborenen wird überall mit Hilfe ihrer heimischen Behörden und nach Maßgabe ihres tunlichst gesammelten Gewohnheitsrechtes gehandhabt.

In Ostafrika, wo die Eingeborenen noch nicht genügend unter dem Einfluß der Mission und Schule stehen und zur Entwicklung des Landes weiße Unternehmungen nötig scheinen, hat England neuerdings für die eingeborenen Stämme Reservate geschaffen.

Die staatsrechtliche Stellung der Eingeborenen in den englischen Kolonien hat noch keine das ganze Reich umfassende Regelung erfahren. Die ältere Gesetzgebung, welche jeden auf britischem Boden geborenen Menschen als a natural born british subject betrachtet, wird als nicht auf die in loseren Beziehungen zum Reiche stehenden Gebiete bezüglich angesehen. Verschiedene Prüfungen der Staatsangehörigkeitsfrage, zuletzt 1899 durch einen Ministerialausschuß, haben kein Ergebnis gehabt. Der Ausschuß empfahl u. a., daß der Staatssekretär und die Gouverneure britischer Besitzungen das Recht haben sollten, die britische Staatsangehörigkeit geeigneten Personen zu erteilen, und daß diese dann in allen britischen und nicht britischen Gebieten als englische Staatsangehörige behandelt werden sollten. Der Vorschlag hat aber keine praktischen Früchte getragen. Es bestehen bisher immer noch Unterschiede in der Stellung der geborenen und naturalisierten Briten sowie in den die Staatsangehörigkeit betreffenden Gesetzen der einzelnen Kolonien.

IV.

Frankreich hat in älterer Zeit nur in Kanada und Madagaskar mit Eingeborenen zu tun gehabt. In beiden Kolonien wurde von vornherein eine friedliche Verständigung mit den Ureinwohnern sowie ihre Zivilisierung ins Auge gefaßt. Schon LESCARBOT, der Begleiter PoUTRINCOURTS, trat zu Anfang des 17. Jahrhunderts dafür ein und tadelte das Vorgehen der Spanier in Westindien scharf, das ebenso unchristlich wie unpraktisch gewesen sei. König HEINRICH IV. war von der Notwendigkeit, die Eingeborenen zu gewinnen und zu erziehen, so durchdrungen, daß er trotz der Abneigung der Kaufleute und Kolonisten von vornherein die Missionierung Kanadas durch die Jesuiten vorschrieb. 1611 sind die ersten Mitglieder der Gesellschaft Jesu dort eingetroffen, und von 1625 an sind sie die eifrigsten Vorkämpfer Frankreichs in Nordamerika geworden. Sie haben es nicht verhindern können, daß von Zeit zu Zeit Stämme, die mit den von Frankreich gewonnenen im Streit lagen, oder die von den Engländern oder Holländern ins Interesse gezogen und mit Waffen versehen waren, blutige Kämpfe veranlaßten, aber Ausschreitungen gegen die Eingeborenen wie in den englischen Besitzungen waren hier sehr selten. Der Verkauf von Branntwein an Indianer wurde zu Ende des 17. Jahrhunderts eine Zeit lang geradezu bei Todesstrafe verboten. Allerdings erregten diese und ähnliche Maßnahmen zugunsten der Eingeborenen keine geringe Unzufriedenheit bei den Ansiedlern und zogen

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