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nach den Vereinigten Staaten bewirkt hätten. Zu leugnen ist auch nicht, daß weder in Südaustralien noch später in Neuseeland, dessen Kolonisation nicht zum wenigsten WAKEFIELDS Werk ist, das System voll durchführbar gewesen ist. Die Schuld hat aber doch vorwiegend an den der Aufgabe nicht voll gewachsenen örtlichen Behörden, dem zu langsamen Fortschreiten der Vermessung von Land für Verkaufszwecke sowie an den Streitigkeiten mit den Regierungsorganen gelegen. MERIVALE erklärte es 1861 für das Verdienst WAKEFIELDS, wenn das englische Publikum binnen 5 Jahren mehr als 1,7 Mill. Pfd. Sterl. in australischen Ländereien angelegt hat. WAKEFIELD ist es ferner zu danken, wenn mit der kostenlosen Vergebung von Land an einflußreiche Leute gebrochen und durch die Erträge der Landverkäufe reiche Mittel zur Beförderung der Einwanderung und Bewirtschaftung Australiens gewonnen. wurden. JOHN STUART MILL (Principles of political economy. 1865. S. 587) pries das WAKEFIELDsche System nicht allein als das bequemste Mittel, einen Staat für seine Aufwendungen zur Gründung einer Kolonie bezahlt zu machen, sondern teilt auch voll seines Erfinders Ansicht von dem Nutzen des damit bewirkten Zusammenhaltens der Kolonisten an einzelnen Mittelpunkten und von der Nötigung für die ärmeren, vorerst um Lohn zu arbeiten.

London

In Australien hat man bei der Verfügung über den Grund und Boden mit Eingeborenen nicht zu rechnen gehabt. Sie zogen sich, soweit sie nicht schon dem Eindringen der Weißen zum Opfer gefallen waren, ins wilde Innere zurück. Anders war es in Neuseeland ebenso wie in Kanada und Südafrika. Hier gab es überall zahlreiche Stämme, welche Ackerbau oder Viehzucht trieben, und von denen das meiste Land erst erworben werden mußte. Man hat sich hier überall damit geholfen, daß man den Eingeborenen, wie es auch seitens der Vereinigten Staaten geschehen ist, angemessene Gebiete zur alleinigen Benutzung reserviert oder die kultivierten den weißen Eigentümern gleichgestellt hat.

Es ist ferner heute eine allgemein anerkannte Regel geworden, Land erst nach vorgängiger Vermessung und genügender Vorbereitung für Aufnahme von Ansiedlern durch Anlage von Wegen etc. zu veräußern. Gerade der Vernachlässigung dieser Vorkehrungen schreibt man heute die Mißerfolge in Algier und anderen Kolonien zu. Zuerst erkannt worden. ist die Notwendigkeit solcher Vorbereitungen in den Vereinigten Staaten. Hier haben die Einzelstaaten von Anfang des 19. Jahrhunderts an die ehemaligen Kronrechte auf unbesetztes Land der Unionsregierung abgetreten, die es vermessen, in Townships mit Unterabteilungen zerlegen, mit Wegen durchziehen und dann unter Zurückhaltung von Stücken für öffentliche Zwecke verkaufen ließ. Dieses System ist in den Grundzügen in Kanada und überall, wo größere, für weiße Ansiedelung geeignete

Gebiete vorhanden sind, angenommen worden. Das Land wird fast allgemein in öffentlichen Terminen an Meistbietende verkauft, abgesehen von kleinen Grundstücken, die man mittellosen Einwanderern unter gewissen Bedingungen kostenlos als Heimstätten überweist. Kostenlose Überlassung größerer Gebiete an Unternehmer, wie sie in Südwestafrika und Algier noch in neuerer Zeit vorgekommen ist, wird fast allgemein verurteilt. LEROY-BEAULIEU findet, daß die vielen an solche Konzessionen geknüpften Bedingungen den Leuten zu sehr die Bewegungsfreiheit nehmen und sie der Willkür der Beamten ausliefern. Tüchtige Leute ziehen es vor, Land zu freier und unumschränkter Verfügung zu erwerben. Die Kolonie verliert durch solche Konzessionen nicht nur ansehnliche Einnahmen, sondern wird auch in ihrer Entwicklung gehemmt. Selbst die Überlassung kleiner Heimstätten an wenig bemittelte Ansiedler, die noch MERIVALE empfiehlt, hält LEROY-BEAULIEU nur in den Anfängen der Besiedelung eines Gebietes für rätlich.

J. STUART MILL hat in Anlehnung an die englischen Einrichtungen und EMILE DE LAVELEYE aus theoretischen Erwägungen empfohlen, Land in Kolonien nicht für immer zu verkaufen, sondern nur in Erbpacht zu geben. Hiergegen haben sich indessen LEROY-BEAULIEU, IMBART DE LA TOUR und andere ausgesprochen. Pächter hätten nicht dasselbe Interesse, das Land in die Höhe zu bringen, wie Besitzer. Wenn man auch in der ersten Zeit nicht viel merken würde, so sei mit Sicherheit anzunehmen, daß sich nach einigen Jahrzehnten die Folgen zeigen würden. Man würde. Raubbau treiben und die spätere Entwicklung des Landes schädigen. Eine solche Einrichtung empfehle sich höchstens für große Weideflächen.

Ebenfalls allgemein anerkannt ist die Notwendigkeit einer möglichsten Vereinfachung der Gesetzgebung betreffend die Übertragung von Grundstücken und die Hypothekeneinrichtungen. In dieser Beziehung ist die der preußischen Hypothekengesetzgebung nachgebildete, in Südaustralien am 2. Juli 1858 erlassene Torrens Act vorbildlich geworden. Sie gilt mit einzelnen, den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Änderungen jetzt

fast überall.

Weniger geklärt sind die Ansichten bezüglich der Bodenfrage in Gebieten, wo eine Ansiedelung weißer Ackerbauer ausgeschlossen erscheint. Man ist seit Aufhebung der Sklaverei und, seit der Einfuhr freier farbiger Arbeier allerlei Hindernisse erwachsen sind, zwar meistens zu der Einsicht gekommen, daß in allen solchen Kolonien die künftige Entwicklung wesentlich von den Eingeborenen abhängt; doch man zögert, daraus entscheidende Schlüsse zu ziehen. Gewöhnlich erklärt man die Eingeborenen für zu arbeitsscheu und ihre Erziehung zu geregelter nützlicher Tätigkeit für zu langwierig oder unmöglich. Es macht sich in der Regel die Neigung geltend, sie als halb oder ganz unfrei zu behandeln und nach dem von

Spanien, Holland und dem Kongostaat gegebenen Muster zu zwingen, gewisse wertvolle Erzeugnisse als Abgaben zu liefern. Entschließt man sich nicht so weit zu gehen, so sucht man sie auf möglichst kleine und wertlose Gebiete zu beschränken und nimmt alles bessere Land als Kroneigentum zu beliebiger Ausbeutung in Anspruch.

Nach den von England und Frankreich im nördlichen Westafrika und in der Südsee gemachten Erfahrungen sind die Eingeborenen hinreichend bildungsfähig, und es ist möglich, durch sie die Kolonien zu ausreichender Entwicklung und Steuerkraft zu bringen. Nur dauert diese Entwicklung längere Zeit und erfordert große Geduld und Klugheit. Will man, um die Kassen des Mutterlandes zu entlasten, Maßregeln treffen, um rasch Einnahmen zu erzielen, so ist die Ausbeutung der großen Urwälder durch die Sammlung ihrer Erzeugnisse, Plantagenbau, Metallgewinnung und dgl. mit Hilfe europäischer Unternehmer nicht abzuweisen. Doch empfiehlt sich dann sorgsamer Schutz des Lebens und Eigentums der Eingeborenen und stete Berücksichtigung der Zukunft der Kolonie. Im anderen Falle würde man, wie die vorliegenden Erfahrungen beweisen, nicht allein die künftige Entwicklung schwer gefährden, sondern auch Gefahr laufen, in ewigen Aufständen und Kriegen mehr ausgeben zu müssen, als das System einbringt.

Im allgemeinen hat sich jetzt der Brauch ausgebildet, auch in diesen Kolonien das herrenlose Land für den Staat in Anspruch zu nehmen und darüber zugunsten von Unternehmern zu verfügen. Für die Eingeborenen hat man, wo die Lage der Dinge es gestattet, gewisse große Landstriche als Reservate abgesondert, oder man hat bestimmt, daß den einzelnen Dörfern innerhalb der Kronländereien genügende Flächen für ihren und den Lebensunterhalt der nächsten Generationen zugewiesen werden. Unklarheit besteht nur gewöhnlich darüber, in welcher Weise das herrenlose Land festzustellen, und wie weit den Interessen der Eingeborenen Rechnung zu tragen ist. Wenn man diese Feststellungen den Interessenten ganz oder im wesentlichen überläßt, müssen schwere Mißbräuche unvermeidlich sein. Ebenso wenig ist man in der Regel der Frage des für den Landbesitz der Eingeborenen geltenden Rechts näher getreten. Es sind da noch die größten Schwierigkeiten zu überwinden, denn bei den verschiedenen Stämmen gelten in dieser Hinsicht sehr abweichende Grundsätze. Einzelbesitz bildet die Ausnahme. Will man die eingeborene Bevölkerung aber zur besseren Entwicklung bringen, so müssen diese Fragen geregelt, und auch den eingeborenen Bauern das Recht auf bestimmten Besitz, seine Erweiterung und Belastung verschafft werden. Auf der anderen Seite wird es gleichzeitig nötig sein, sie vor Auswucherung oder Verlust ihres Eigentums zu sichern.

Über die beste Art der Veräußerung des Kronlandes besteht für die tropischen Kolonien ebensolche Meinungsverschiedenheit wie für die

ZIMMERMANN, Kolonialpolitik.

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anderen. Die einen sind für kostenlose Konzessionen, andere für Verkauf, freihändig oder an den Meistbietenden, noch andere für Verpachtung. Eine feste Regel wird sich in dieser Hinsicht sobald nicht aufstellen lassen. Es dürfte alles auf die örtlichen Verhältnisse ankommen. Wo viel Nachfrage tüchtiger Unternehmer besteht, wird man das Interesse der Kolonie durch Verkauf oder gelegentlich sogar nur durch Verpachtung wahren können. Wo es schwer ist, Interesse für ein Gebiet zu erwecken wird man auch zu Konzessionen greifen müssen. Von den örtlichen Umständen wird auch die Größe der von Weißen zu erwerbenden Grundstücke abhängen. Vorherige Vermessung und Abgrenzung der an Unternehmer veräußerten Gebiete wird überall, wo genügend Erfahrungen vorliegen, als unerläßlich betrachtet. Die Kosten trägt allgemein der Erwerber. Ferner gilt auch in tropischen Kolonien eine einfache und billige Landgesetzgebung für angezeigt. Endlich erscheint eine Vorsorge angezeigt, daß die Verwaltung jederzeit freie Hand in der Verfügung über das Land zur Vornahme öffentlicher Anlagen jeder Art behält und nicht durch irgend welche Privatinteressen darin gehemmt werden kann.

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XV. Eingeborenenfrage.

Literatur. S. Bannister, British colonisation and coloured tribes. London 1838. G. Catlin, Letters and notes on the North American Indians. London 1841. Georg Friederici, Indianer und Anglo-Amerikaner. Braunschweig 1900. F. Giesebrecht, Behandlung der Eingeborenen in den deutschen Kolonien. Herausgegeben von —. Berlin 1897. A. Girault, Principes de la colonisation. Paris 1895. J. Castell Hopkins, Canada. Toronto o. J. Vol. I. The Indians of Canada. Prof. Dr. Koebner, Rechtsstellung der deutschen Kolonialbevölkerung. Zeitschrift der Gesellschaft für vergleichende Rechtswissenschaft 1904. v. Stengel, Strafrechtspflege über die Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten. Deutsche Juristenzeitung 1898. No 5. · Bibliothèque coloniale internationale. Bruxelles 1902. Serie III. Congrès international de sociologie coloniale. Paris 1900.

I.

Die Eingeborenenfrage in Kolonien ist zum erstenmal den Spaniern entgegengetreten. Die dem KOLUMBUS 1493 erteilte Instruktion wies ihn an, die Bewohner der neuen Welt gut und liebevoll zu behandeln, um sie der Bekehrung zum Christentum geneigt zu machen, und alle Ausschreitungen gegen sie nachdrücklich zu bestrafen. Die Verhältnisse machten die Beachtung dieser Vorschriften unmöglich. Krone und Bevölkerung Spaniens erwarteten von dem Entdecker nicht allein baldigen Ersatz aller Kosten, sondern auch große Reichtümer aus den von ihm so überschwänglich gepriesenen, neu gefundenen Gebieten. Diesen Erwartungen nicht zu entsprechen, hätte ihn arg bloßgestellt und den Eifer zur Fortsetzung der Entdeckungen erkalten lassen. Wollte er aber aus den weiten jungfräulichen Gebieten der neuen Welt den gehofften Nutzen ziehen, so handelte es sich darum, in irgend einer Weise ihre natürlichen Reichtümer auszubeuten. Dazu bedurfte es der freien Verfügung über das Land und seine Bewohner. So entschloß sich KOLUMBUS, ohne jede Rücksicht auf Wohl und Wehe der Eingeborenen, über ihr Land, ihre Arbeitskraft und ihre Person zu verfügen. Wer nicht als Sklave nach Spanien oder andern Gebieten versandt wurde, sah sich mit dem Land, auf dem er wohnte, irgend einem Weißen zu freiem Eigentum überwiesen und gezwungen, bestimmte Arbeiten auszuführen. Entzogen sie sich dem Zwange durch die Flucht oder em

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