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land gesträubt. Der Versuch, sie gegen ihren Willen dazu zu zwingen, hat stets zu Unruhen geführt oder zum Abfall Veranlassung gegeben.

Diese Erfahrungen haben dazu geführt, daß gegenwärtig als Aufgabe der Kolonialpolitik nicht die Erzielung barer Einkünfte von den Kolonien gilt, sondern ihre möglichst vollständige Entwicklung aus eigenen Mitteln ohne dauernde Inanspruchnahme des Mutterlandes. Die Neigung zu letzterer ist überall vorhanden, da es bequemer ist, sich auf die Hilfe des Mutterlandes zu verlassen, statt die eigenen Kräfte anzuspannen und sich nach der Decke zu strecken. Die Freunde der Kolonien sind auch stets geneigt, diese natürliche Neigung der Kolonien zu unterstützen und vor jeder Beschneidung ihrer Forderungen zu warnen. In England hat man indessen zu Anfang der sechziger Jahre kurz entschlossen die hergebrachte Staatsunterstützung für die Kolonien beseitigt und sie auf ihre eigenen Einnahmequellen angewiesen, obwohl verschiedene von ihnen noch nicht zur vollen Entwicklung gelangt waren. Man räumte ihnen dafür die fast unumschränkte Verfügung über ihre Einkünfte ein und erlaubte ihnen, im Bedarfsfalle selbständig Anleihen aufzunehmen. Allen düsteren Voraussagen vieler Kolonialfreunde zum Trotz hat sich diese Maßnahme bestens bewährt. L. VIGNON führt das Gedeihen der englischen Kolonien auf ihre finanzielle Unabhängigkeit zurück, auch LEROYBEAULIEU steht auf dem Standpunkte, daß es genüge, wenn ein kolonisierender Staat die Kosten der Erwerbung überseeischer Besitzungen und der ersten Anlage sich aufbürdet. Die entwickelteren englischen Kolonien besitzen vollste Verfügungsfreiheit sowohl hinsichtlich der Einnahmequellen als der Verwendung der Einkünfte. Das Mutterland hat sich bei ihnen jedes Einflusses begeben. Hier hat sich daher nicht nur eine vielfach alle Grenzen überschreitende Schutzzollpolitik entwickelt, sondern es sind, wie z. B. in Australien, so riesige Schuldverpfichtungen eingegangen worden, daß daraus nicht unbedenkliche Gefahren entstehen können. Bei den kleineren und weniger fortgeschrittenen Kolonien hat das Mutterland sein Einspruchsrecht gewahrt. Es wacht hier sowohl darüber, daß das Interesse seines Handels nicht verletzt, als daß nicht durch ungeschickte Maßnahmen unter den Eingeborenen Unruhe erzeugt wird. Hier bedarf es zur Aufnahme von Anleihen auch der heimischen Genehmigung. Falls ihr Kredit zu gering ist und sie daher Darlehen nur unter sehr ungünstigen Bedingungen erhalten würden, schießt das Mutterland die erforderlichen Mittel in der Regel vor. Neben den regelmäßig auf dem Geldmarkt untergebrachten kolonialen Anleihen sind. daher noch erhebliche Summen zu berücksichtigen. welche einzelne Kolonien dem Schatzamt oder dem Amt der Kolonialagenten schulden. 1901 belief sich die Summe der an den Börsen gehandelten Schulden der englischen Kolonien auf 611 453 100 Pfd. Sterl. Der bedeutendste Anteil daran entfiel auf Indien, nämlich 229686 500 Pfd. Sterl. Australien

war mit 197 281 800 Pfd. Sterl., Kanada mit 72 900 200 Pfd. Sterl., Neuseeland mit 52 966 400 Pfd. Sterl. Schulden belastet. Die Schulden der Kapkolonie beliefen sich nur auf 31 393 400, die Natals auf 10574100 Pfd Sterl. Seitdem haben die meisten Kolonien von ihrem Kredit weiteren ausgiebigen Gebrauch gemacht. Die Verschuldung Australiens ist binnen Jahresfrist auf 212366 400 Pfd. Sterl., die Neuseelands auf 55 899 000 Pfd. Sterl., Kanadas auf 79340 000 Pfd. Sterl. gewachsen. Die Schulden der Kapkolonie beliefen sich 1902 auf 36970900, Natals auf 12519100 Pfd. Sterl. Das eben eroberte Transvaal ist bereits mit 65 Mill. Pfd. Sterl. belastet. Trotz der hohen Verschuldung der meisten Kolonien sind sie bisher aber immer im stande gewesen, ihren Geldbedarf zu einem Zinsfuß von 3-4 Proz. im Mutterlande zu decken. Selbst die kommunalen Gemeinwesen der Kolonien haben in England große Summen zu 32-5 Proz. erhalten, wie die nachstehende Übersicht vom 15. Oktober 1901 zeigt Gemeindeanleihen in den Kolonien.

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In Frankreich werden die alljährlich notwendigen großen Opfer für Zwecke des Kolonialbesitzes schwer genug empfunden, und seit langer Zeit war es das Bestreben vieler Politiker, diese Aufwendungen einzuschränken. Als erster Schritt dazu wurde 1825 in der Kammer die Trennung der kolonialen Budgets von denen des Mutterlandes und die Einräumung einer selbständigen Stellung an die Kolonien vorgeschlagen. Es geschah jedoch nichts. Erst 1838 wurde wenigstens ein besonderer Beamter in den Kolonien, der Ordonnateur, geschaffen, welcher ihre Budgetvoranschläge entwarf, und 1855 geschah etwas Ernstliches zur Verwirklichung der 1825 gegebenen Anregung. Infolge des Sénatusconsulte von 1854 wurden im folgenden Jahre in den Kolonien Martinique, Guadeloupe und Réunion Munizipalräte geschaffen, denen unter anderem die Befugnis erteilt war, die lokalen Budgets aufzustellen. Von diesen schied man fortan die Budgets de l'Etat, über welche wie bisher in Frankreich die Bestimmung lag. Der Grundgedanke der Maßnahme war, die Zuschüsse des Mutterlandes auf die Kosten für Zwecke des Schutzes und der Landeshoheit zu beschränken. Durchzuführen wagte man ihn bei der schlechten Lage selbst der entwickeltesten Kolonien indessen nicht. Auch bei der weiteren Ausgestaltung der Befugnisse der Munizipalräte 1866 und 1882 und bei der Ausdehnung der Einrichtung auf die andern. Kolonien während der Jahre 1878-1885 geschah nichts, um die überseeischen Besitzungen auf ihre eigenen Mittel anzuweisen. Bei dieser Einrichtung zahlte Frankreich ihnen nicht allein fortgesetzt erhebliche. Zuschüsse, sondern gestattete sogar ihren repräsentativen Körperschaften, über die Verfügung eines Teils der Zuschüsse des Mutterlandes zu bestimmen. Erst durch einen Sénatusconsulte vom 13. April 1900 wurde der Versuch einer Änderung gemacht. Den Kolonien wurde dadurch grundsätzlich die Tragung aller Ausgaben für Zivilverwaltungs- und Gendarmeriezwecke auferlegt und die Erhebung von Steuern in den Kolonien für Bestreitung der militärischen Kosten in Aussicht genommen. Ferner

schrieb das Gesetz die Genehmigung der Beschlüsse der Kolonialparlamente durch den Staatsrat vor. Praktische Ergebnisse hat die Maßregel nicht gehabt. Das Mutterland zahlt nach wie vor den größten Teil der Verwaltungskosten bei vielen Kolonien. Nur wenige sind in der Lage, aus eigenen Mitteln ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Den fortgeschrittenen Kolonien hat man neuerdings die Aufnahme von eigenen Anleihen gestattet, so Indochina im Jahre 1898: 130 Millionen und den Kommunalverbänden Algiers 106 400 000 Frs. Daneben bestehen aus den Zeiten vor der französischen Eroberung noch Anleihen von Tunis im Betrage von 198200 000 und in Madagaskar von 30 Mill. Frs. Die übrigen Kolonien schulden der Caisse des dépôts et consignations, der Caisse nationale des retraites und dem Crédit algérien zusammen 25 800 000 Frs. Der Sudan ist daran mit 3200 000, Senegal mit 3673500, Guadeloupe mit 3699 000 Frs. beteiligt. Die gesamte Verschuldung der französischen Kolonien beläuft sich auf 490 400 000 Frs.

Wichtigste Einnahmequellen aller Kolonien sind, falls nicht das Vorhandensein großer Minerallager die Erhebung einträglicher Abgaben von der Ausbeute gestattet, die Zölle. Ehe eine Kolonie eine gewisse Entwicklung erreicht hat, sind sie sogar in der Regel die einzige Möglichkeit für Einnahmen. Sie haben den Vorzug, bequem eintreibbar zu sein und sich für den Einzelnen verhältnismäßig wenig fühlbar zu machen. Außer Einfuhrzöllen auf europäische Waren werden dort, wo besonders wertvolle Erzeugnisse es gestatten, auch Ausfuhrzölle erhoben. Neben den Zöllen liefert in Kolonien, die für weiße Besiedelung fähig sind, der Landverkauf die größten Erträge. Abgaben von Grundstücken und Gebäuden sind ebenso wie Kopf- oder Hüttensteuer der Eingeborenen nur rätlich, falls ein Gebiet völlig unterworfen ist und in regelmäßiger Verwaltung sich befindet. England hat eine Besteuerung der Eingeborenen nur in solchen Gegenden für angezeigt erachtet. Dagegen handhabt es besonders in den Küstengebieten aller Kolonien eine Menge von Stempelsteuern, Lizenzgebühren und dgl., deren Ertrag jedoch meist gering bleibt. Arbeitszwang für Eingeborene besteht nur in Fiji, wo er von altersher üblich ist. Frankreich folgt in dieser Hinsicht im wesentlichen dem englischen Vorbilde; wie England hat es auch in Ozeanien für die Eingeborenen das alte System der Fronarbeit bestehen lassen. Diese Einrichtung, welche in den holländischen und portugiesischen Kolonien besonders zu vielen Mißbräuchen geführt hat '), findet jedoch wenig Anklang. In stark bevölkerten Kolonien mit geordneter Verwaltung sind Monopole in einzelnen wichtigen Massenverbrauchsartikeln erfolgreich. So führte England und Frankreich in Indien das Salz- und Opiummonopol durch, Frankreich außerdem noch das Branntweinmonopol. Die Niederlande erzielen eben

Vgl. die Abschnitte: Eingeborene, Regelung des Grundbesitzes.

falls in ihrem indischen Besitz ansehnliche Erträge durch Monopolisierung von Opium und Salz. Monopolisierung einzelner Gewerbszweige von Staatswegen hat sich dagegen nur selten auf die Dauer bezahlt gemacht.

Der belgische Kongostaat bringt den größten Teil seiner Verwaltungskosten durch Zölle sowie durch Besteuerung und Monopolisierung gewisser. Handelszweige wieder ein. Immerhin hat er zur Ausführung besonders der großen öffentlichen Arbeiten Anleihen aufnehmen müssen. Ihr Gesamtbetrag beläuft sich auf 254 Mill. Frs. Davon sind etwa 30 Mill. Frs. unverzinsliches Darlehen Belgiens, 150 Mill. Frs. stellen eine Losanleihe dar, der Rest ist in gewöhnlicher Weise verzinslich.

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