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Kolonialunternehmungen Nordamerikas waren die Gebiete as part of our manor of East Greenwich oder of our Castle of Windsor oder of Hampton Court bezeichnet. Dem Parlament, das die freie Fischerei an den Küsten der Kolonien durch Gesetz festlegen wollte, wurde bedeutet, daß es nicht angebracht sei, für noch nicht annektierte Gebiete Gesetze zu machen. Der König mit seinem Privy Council behielt sich die Erledigung der die überseeischen Erwerbungen betreffenden Fragen vor. Die im Jahre 1606 von JAKOB I. in Aussicht genommene Einrichtung einer besonderen Behörde für Nordamerika, des Council of Virginia, ist nicht zur Ausführung gelangt. Schon 1609 wurde den Kolonisationsgesellschaften das Recht eingeräumt, die Angelegenheiten nach eigenem Gutdünken zu leiten. Erst 1625 wurde ein eigenes Kolonialamt in Gestalt eines dem Privy Council unterstehenden Committee for Plantations von CHARLES I. geschaffen. Sehr groß dürfte die Geschäftslast dieser Behörde nicht gewesen sein, denn bei der Größe der Entfernungen und der Mangelhaftigkeit der Verbindungen besorgten die Kolonisten ihre Angelegenheiten fast durchweg allein und trafen ihre Einrichtungen nach den örtlichen Bedürfnissen und Wünschen. Selbst den Unternehmern oder Gesellschaften, durch welche sie hinausgesandt worden waren, räumten die Ansiedler, wenigstens in Nordamerika und Westindien, fast keinerlei Einfluß ein, gestützt auf ihre Rechte als freie englische Bürger. Diese Rechte waren ihnen in den königlichen Charters, auf Grund deren die meisten Kolonien angelegt wurden, ausdrücklich verbürgt worden. Sowohl in dem Sir HUMPHREY GILBERT 1578 als in dem Sir WALTER RALEIGH 1584 erteilten Privileg1) war betont, daß die Ansiedler und ihre Nachkommen alle Vorrechte freier Bürger und der in England geborenen Personen behielten in derselben Weise, als wenn sie in England geboren wären und dort ihren Wohnsitz hätten. Die Statuten, nach denen sie regiert würden, sollten soweit als möglich den Gesetzen Englands entsprechen und nur weder dem christlichen Glauben zuwiderlaufen noch die der Krone geschuldete Untertanenpflicht verletzen!

Diese Bestimmungen kehren fast in allen für koloniale Unternehmungen erteilten Charters in einer oder der anderen Form wieder. Wenn sie fehlen, wie z. B. in der Charter für Pennsylvanien, wurde das als nicht ins Gewicht fallend betrachtet. Die englische Justiz nahm den Standpunkt ein, daß die Klausel überflüssig sei. Da die Kolonisten Engländer seien, besäßen sie jederzeit ohne weiteres dieselben Rechte und hätten dieselben Pflichten wie die zu Hause bleibenden Bürger.

Nicht genug mit der feierlichen Verbürgung der Rechtsansprüche der Kolonisten bestimmte schon 1606 der König in der der ersten Kom

1) Charter von 1578, Art. IV und V.; von 1584: The colonies have all the privileges of free denizens and persons native of England.

pagnie für die Kolonisation Nordamerikas erteilten Charter, daß in den von der Gesellschaft zu gründenden beiden Kolonien den Ansiedlern das Recht der Selbstregierung zu gewähren sei. In jeder der beiden Kolonien sollte ein Council, zusammengesetzt aus 13 Kolonisten, eingerichtet und ihm die Leitung der örtlichen Angelegenheiten nach Maßgabe der Gesetze Englands anvertraut werden. Der König gedachte sich nur das Vetorecht und die Verhängung von Todesstrafe oder Verstümmelung vorzubehalten.

Ein infolge der schlechten anfänglichen Erfahrungen der Kompagnie 1609 gemachter Versuch, mit Zustimmung des Königs das Selbstregierungsrecht der Kolonisten einzuschränken und das Council zu beseitigen, hat sich nicht bewährt. 1619 sah sich der Gouverneur, um der Unzufriedenheit und Unordnung zu steuern, genötigt, der Kolonie die alten Freiheiten wieder einzuräumen. Er ließ von den Gemeinden Vertreter wählen, die zusammen mit dem Gouverneur und seinem Beirat eine legislative Versammlung bildeten, deren Beschlüsse zur Genehmigung nach England gesandt wurden. Angesichts der Mäßigung und Zweckmäßigkeit der Beschlüsse entschloß sich die Kompagnie 1621, sie nicht nur zu bestätigen, sondern die vorläufige Einrichtung zu einer dauernden zu machen. Sie behielt sich nur die Wahl des Gouverneurs und seines ständigen Beirats sowie die Bestätigung der Beschlüsse der gewählten Assembly vor. Sie verpflichtete sich gleichzeitig, Anordnungen in der Kolonie nur mit Zustimmung der Assembly zu treffen!

Diese Verfassung ist für die englischen Kolonien in Amerika vorbildlich geworden. Der König ließ sie nach der 1624 vorgenommenen Auflösung der Kompagnie stillschweigend in Kraft. Das von seinem Nachfolger 1625 errichtete Kolonialamt hat sich gleichfalls damit abgefunden. Als die Auswanderung nach Amerika einen bedrohlichen Umfang annahm und das in England rücksichtslos verfolgte Sektenwesen durch die meist von Sektierern zur Blüte gebrachten Kolonien große Stärkung erfuhr, versuchte die Regierung einzuschreiten. 1634 wurde an die Spitze der Kolonialbehörde der Erzbischof von Canterbury gesetzt. Alle Bemühungen, die kolonialen Freiheiten zu beschneiden, blieben jedoch erfolglos. Unter dem Einfluß der späteren Bürgerkriege in England und des geringeren Interesses für die Kolonien wuchs naturgemäß ihre Selbständigkeit. Sie nahmen immer weniger auf Wünsche und Interessen des Mutterlandes Rücksicht. Ein 1643 vom Parlament errichtetes Board of Commissioners, bestehend aus fünf Lords und zwölf Vertretern des Unterhauses, hat gegen den Starrsinn der Kolonien so wenig wie das frühere Komittee ausgerichtet. CHARLES II. und seine Ratgeber erachteten ein Einschreiten hiergegen für unerläßlich. Zunächst wurde eine neue Zentralbehörde geschaffen. Angeblich auf Anregung verschiedener Kaufleute und Interessenten errichtete CHARLES II. 1660 ein Komittee des

Privy Council für die Angelegenheiten der Kolonien. Die Mitglieder des Ausschusses sollten zweimal wöchentlich zusammentreten, alle Amerika betreffenden Sachen beraten und von Zeit zu Zeit Berichte erstatten. Schon nach wenigen Monaten erwies sich das als nicht ausreichend, und ein vom Privy Council unabhängiges Council of foreign plantations wurde im Dezember 1660 ins Leben gerufen.

Die neue Behörde sollte sich über den Stand aller Kolonien auf dem Laufenden erhalten und die sie betreffenden Aktenstücke sammeln. Sie sollte die Gouverneure zu Berichten über den Stand der Kolonien, ihrer Gesetzgebung und Verwaltung auffordern und dem König auf Verlangen darüber Rechenschaft abstatten. Es war ihr ferner aufgetragen, in geschickter Weise (to use prudential means) die Kolonien für England und umgekehrt nützlich zu machen, ihre Zivilverwaltung zu vereinheitlichen und zu verbessern sowie für bessere Rechtspflege zu sorgen. Daneben war ihr aufgegeben, die Fortschritte der fremden Kolonien zu beobachten und ihre Erfahrungen für den englischen Besitz zu verwerten, von Zeit zu Zeit auch die Ansichten und den Rat sachverständiger Personen aller Art einzuholen. Es lag der Behörde endlich ob, die Durchführung der Gesetze betr. Beförderung der Schiffahrt zu überwachen, die Auswandererangelegenheiten, die Fortschaffung schädlicher Elemente nach den Kolonien, die Verbreitung des Christentums unter Eingeborenen und Sklaven, sowie endlich die Besserung der Sitten in den Kolonien im Auge zu halten. Der Wirkungskreis des Kolonialamts wurde 1672 erweitert, indem es mit dem Council of trade verschmolzen und nun Council of trade and lantations genannt wurde. Sein Präsident, der EARL of SHAFTESBURY, erhielt 800 Pfd. Sterl., der Vizepräsident 600 und von den Mitgliedern neun je 500 Pfd. Sterl. Jahresgehalt. 1677 ist aus irgend welchen Gründen das Handelsamt wieder vom Kolonialamt geschieden worden. Erst 1695 verschmolz WILLIAM III. nochmals beide Behörden zu einem neuen Council of trade and plantations. Dieses scheint indessen ebensowenig tiefgreifende Wirkungen geübt zu haben, wie seine Vorgänger. Die amerikanischen Kolonien räumten, wenn sie auch eine Zeitlang sich der Gewalt fügen mußten, auf die Länge weder in ihren innern noch in ihren Handelsangelegenheiten dem Mutterlande eine maßgebende Stimme ein. 1) Und die neu von England eroberten Kolonien ahmten bald das Beispiel der älteren nach.

1766 wurde das Board of trade and plantations seiner meisten Befugnisse entkleidet und darauf beschränkt, etwaige Fragen des Privy Councils zu begutachten. 1768 wurde es aber wieder hergestellt und an seine Spitze ein Staatssekretär für die Kolonien gestellt. Seine Versuche, mehr Einfluß als bis dahin auf die Einrichtungen der Kolonien zu gewinnen, hat bekanntlich die Erhebung und die Loslösung der

1) Vgl. ZIMMERMANN, Die europäischen Kolonien. Band II.

amerikanischen Kolonien wesentlich beschleunigt. Die Behörde bestand 1780 aus acht Parlamentsmitgliedern, deren jedes 1000 Pfd. Sterl. im Jahre bezog, obwohl nach dem Abfall der Vereinigten Staaten das Arbeitsfeld der ganzen Einrichtung stark zusammengeschmolzen war. Auf Anregung im Parlament wurde endlich 1782 das Board mitsamt dem Posten des Staatssekretärs aufgehoben und die Angelegenheiten der Kolonien wieder einem Komitee des Privy Councils überwiesen. Das Komitee, bestehend aus 13 Mitgliedern, wurde 1784 ernannt. In der Zwischenzeit hatte das Home Office die Kolonialsachen bearbeitet.

Das Komitee hat seinem Zweck nicht entsprochen. An seine Stelle trat 1786 ein neues, das die Leitung aller Handel und Kolonien betreffenden Angelegenheiten übertragen erhielt. Es bestand aus dem Erzbischof von Canterbury, den ersten Lords des Schatzamts und der Admiralität, den drei Hauptstaatssekretären, dem Chancellor und dem Under Treasurer of the Exchequer, dem Sprecher des Unterhauses, verschiedenen Beamten, dem Bischof von London und einigen angesehenen Politikern. Das Komitee erhielt ein Bureau mit dem nötigen besoldeten Personal und wirkte bis 1794, wo die kolonialen Angelegenheiten dem Kriegsminister, der gleichzeitig den Titel als Staatssekretär für die Kolonien erhielt, überwiesen wurden. Das Komitee blieb aber bis 1801 nominell bestehen. Von da an war es nur noch mit den Handelsfragen betraut und hat sich zum Board of Trade entwickelt. Erst 1854 ist wieder ein eigenes Kolonialamt unter einem besonderen Staatssekretär geschaffen worden.

Die Stellung dieses Kolonialamtes ist infolge der Entwickelung, welche Englands Kolonialpolitik im 19. Jahrhundert durchgemacht hat, eine wesentlich andere als die der früheren Kolonialbehörden. Während ehemals seine Befugnisse gegenüber den Kolonien sehr unbestimmter Natur waren, sind sie jetzt durch die Gesetzgebung genau festgelegt.

Am weitgehendsten sind sie in den Kronkolonien, der zahlreichsten Klasse unter den britischen überseeischen Besitzungen. In einigen aus ihrer Zahl, Gibraltar, St. Helena, Somalia, Ostafrika, Zentralafrika, Uganda, Wei hai wei und Nigeria, welche hauptsächlich militärische Bedeutung und wenig Bewohner haben, liegt die gesamte Regierungsgewalt in der Hand des Kolonialamts bezw. des Auswärtigen Amtes und der von ihnen entsandten Gouverneure. 1) In den andern, Ceylon, Mauritius, Hongkong, Labuan, Trinidad, Santa Lucia, Fidji steht dem Gouverneur ein von ihm mit Genehmigung der Krone aus Beamten und gelegentlich einigen Honoratioren ernanntes Council zur Seite, das in wichtigeren Angelegenheiten zu Rate gezogen werden muß, ohne daß aber der Gouverneur genötigt wäre, seinem Gutachten Folge zu leisten. In Jamaica, Straits Settlements,

1) Die als Protektorate behandelten Kolonien Somalia, Ostafrika, Uganda, Zentralafrika unterstanden bisher dem Auswärtigen Amte statt dem Kolonialamte.

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Sierra Leone, Gambia, Gold Coast, Lagos, Grenada, Falkland Islands, Honduras, St. Vincent, Tobago, Transvaal und Orange River beruht die Einrichtung der Councils auf Verträgen oder Gesetzen. Ihre Mitglieder werden zum Teil von der Krone auf Vorschlag des Gouverneuers ernannt, zum Teil von den Bewohnern der Kolonie gewählt.

In den entwickelteren Kolonien bestehen zwei Councils: das nur gelegentlich zusammentretende Legislative Council, in dem die Kolonisten vertreten sind, und das vom Gouverneur ernannte ständige, Exekutive Council, welches nur aus Beamten zusammengesetzt ist.

Über die Verhandlungen der Councils wird Protokoll geführt und dies periodisch dem Kolonialamt vorgelegt, sodaß jeder Zeit ersichtlich ist, welche Erwägungen bei einer Maßregel mitgesprochen haben, und wie weit der Gouverneur mit gutem Grund der Meinung des Councils nicht beigetreten ist. Es fehlt übrigens nicht an Streitigkeiten zwischen den Kolonien und dem Gouverneur oder dem Kolonialamt über die Grenzen der beiderseitigen Befugnisse.

Beschränkter sind die Befugnisse des Kolonialamts in der zweiten Klasse der Kolonien, zu der die Bahamas, Barbados, Bermuda, British Guiana, Leeward Islands und Malta gehören. Hier hat die Krone sich neben dem Rechte des Vetos in Fragen der Gesetzgebung nur noch das Recht der Aufsicht über die Beamten vorbehalten. Die Executive Councils und einen Teil der Mitglieder der Legislative Assemblies ernennt sie allerdings auch hier, doch steht den Kolonien ein weitgehendes Selbstverwaltungsrecht zu.

So gut wie selbständig sind die Kolonien der dritten Klasse, Canada, Neufundland, Australien, Neuseeland, Kapkolonie und Natal, gestellt. Veranlaßt durch schlechte Erfahrungen in den verschiedenen Kolonien Nordamerikas und in der Furcht, daß es eines Tags das Beispiel der benachbarten Vereinigten Staaten nachahmen könnten, entschloß sich die englische Regierung 1839, den Generalgouverneur Canadas anzuweisen, den Kolonisten in inneren Fragen freie Hand zu lassen und nur in Angelegenheiten der auswärtigen Politik und des Handels den Gesichtspunkten des Mutterlandes Geltung zu verschaffen. Die Lebenslänglichkeit der obersten Ämter in der Kolonie wurde abgeschafft und bestimmt, daß sie aus Mitgliedern der jeweils herrschenden Partei besetzt werden. sollten. Die Bill, welche Ober- und Untercanada 1840 verschmolz, verlich der Kolonie ein von der Krone auf Vorschlag des Generalgouverneurs zu ernennendes Legislative Council aus 20 Mitgliedern und eine von den Kolonisten zu wählende 84 Köpfe starke Legislative Assembly.

In das aus den Inhabern der obersten Ämter zusammengesetzte Exekutive Council sollten nur Mitglieder der über die Mehrheit in der Assembly verfügenden Partei aufgenommen werden. 1853 wurde die Zahl der Abgeordneten der Assembly auf 130 erhöht, 1856 wurde auch

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