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Conversations-Lerikon.

Für alle Stände. ·

Von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten bearbeitet.

Vierter Band.

Deutschland - Feodofia.

Leipzig,

Verlag von Otto Wigand.

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D.

D

Deutschland, ein fruchtbarer, alle Klimate der gemäßigten Zone in sich schließender Länderstrich, liegt im Herzen Europas zwischen der Nordsee, der Ostsee und dem adriati= schen Meere, von 22° 30′-36° 40′ östl. L. und 44o — 55o nördl. B., und grenzt im Often an Westpreußen, Posen, das russische Polen, den früheren Freistaat Krakau, Galizien und Ungarn, im Süden an das adriatische Meer, Oberitalien und die Schweiz, im Westen an die Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland und im Norden an die Nordsee, Schleswig und die Ostsee. Seine größte Länge von Norden nach Süden beträgt 150, die größte Breite von Osten nach Westen 130 Meilen. Eine Messung des gesammten Landes fehlt noch gänzlich und selbst die Größenangaben der einzelnen deutschen Staaten beruhen keineswegs auf genauen Ausmessungen. Daher schwanken die verschiedenen Angaben des Flächenraums zwischen 11,438 und 11,600 OM. In geognostischer Hinsicht kann man D. in Nord, Mittel- und Süddeutschland, oder in Nieder-, Mittel- und Oberdeutsch= land eintheilen. Zu Nord- oder Niederdeutschland, das die Größe eines gleichschenkeligen Dreiecks hat, gehören Preußen, Holstein, Hanover, Braunschweig, Oldenburg, die Lippeschen Fürstenthümer und die drei freien Städte Hamburg, Lübeck, Bremen. Diese Länder bilden eine große Ebene, sandig und moorig, die nur allmählig in südlicher Richtung ansteigt und deren höchste Hügel, mit Ausnahme des Harzgebirges mit dem 3500 F. hohen Brocken, kaum über 500 F. sich erheben. Mitteldeutsch) land umfaßt Luremburg, Hessen, Sachsen, Nassau, Anhalt, Schwarzburg, Reuß, Waldeck und die freie Stadt Frankfurt am Main und wird im Süden vom Jura, im Osten durch einen Zweig der Karpathen begrenzt. Im Innern ziehen sich zwei Gebirgszüge von Osten nach Westen, von denen der eine, wenig breit und schnell sich abdachend, vom Harz ausgeht, das Wesergebirge, den Westerwald und die Eifel umfaßt, und sich in den Mündungen Norddeutschlands verliert, während der andere mit dem Riesengebirge in Schlesien beginnt, im Erzgebirge in Sachsen, im Fichtelgebirge und dem Thüringerwald seine Fortschung findet und im Nöhn, Spessart, Taunus, Vogelsgebirge und im Huntsrück jenseits des Rheins endigt. Der lettere vermittelt die Verbindung dieser Höhenzüge mit den Vogesen, während der Schwarzwald und Böhmerwald sie mit den Alpen, und die Sudeten und Mährischen Gebirge mit den Karpathen in Verbindung bringt. Süd- oder Oberdeutschland begreift die Länder zwischen den Alpen und dem mitteldeutschen Gebirge, Desterreich, Bayern, Würtemberg, Baden, Hohenzollern und Lichtenstein. Hier sind die rhätischen, tyroler, salzburger und steierschen, ferner die kärntner und krainer Alpen (f. d.) mit

Höhenspißen von 6-14000 F. und Gletscher, die sich bis über 3000 F. heraberstrecken. Häufig pflegt man D. nur in zwei Hälften, die südliche und nördliche zu theilen, wo denn die bei Mitteldeutschland genannten Staaten mit zu Norddeutschland gerechnet werden. Von den 500 Flüssen D.'8, unter ihnen 60 schiffbare, sind die bedeutendsten die Donau, der Rhein, die Elbe, die Weser und die Oder, welche sämmtlich, mit Ausnahme der in das schwarze Meer fließenden Donau, in die Nord- oder Ostsee münden. Die wichtigsten Nebenflüsse der Donau, welche auf dem Schwarzwalde entspringt und von Westen nach Osten fließt, sind die Iller; der Lech, die Altmühl, die Nabe, der Regen, die Isar, der Inn, die Ems und March; die des Rhein, der auf dem St. Gotthard entspringt, die Elz, Kinzig, Murg, Pfinz, der Neckar, der Main, die Lahn, Mosel, Wipper, Ruhr und Lippe; die der Elbe, welche auf dem Riesengebirge entspringt, die Moldau, Eger, Mulde, Saale, Havel; der Weser, sogenannt nach der Vereinigung der Werra und Fulda bei Münden, die Aller, Wümmer und die Hunte; die der Oder, welche auf den mährischen Sudeten_entspringt, die schlesische Neiße, die Kaßbach, der Vober, die laufizer Neiße, die Warthe. Zu den bedeutendsten Küstenflüssen gehören die Eider, die die Grenze D.'s gegen Schleswig bildet, die Ems, die Jahre, welche in die Nordsee, die Trave, Warnow, Persante, Wipper und Stolpe, welche in die Ostsee münden. Die in Tyrol entspringende Etsch und die ebenfalls in D. entspringende Weichsel verlassen das Land nach kurzem Laufe. D. hat nur wenig Kanäle; zu den wichtigsten gehören der schleswig-holsteinische, welcher die Eider mit der Ostsee, der Müllroser, der Oder, der Finow-Kanal, der die Havel mit der Oder, und der Ludwigskanal, der den Rhein mit der Donau verbindet. Seen finden sich besonders in Süd- und Norddeutschland; die vorzüglichsten sind im Süden der Voden-, Chiem –, Wärm (Starnberger-), Ammers, Feder, Otter- und Traunsee; im Norden das Steinhudermeer, der Dammersee, ferner der Schweriner, Rageburger, Malchower, Ruppiner-, Plauersee 2c. Meerbusen bilden die Mündungen der Elbe, Weser, Ems und der Trave, in Süddeutschland das adriatische Meer bis Triest und Quarnero. Im Stettiner Haff, gebildet aus der Mündung der Oder, liegen die beiden Inseln Usedom und Wollin, etwas nördlicher die Insel Rügen; die ostfriesischen und oldenburgischen Inseln in der Nordsee sind unbedeutend.

Das Klima D.'s ist im Allgemeinen gemäßigt und gesund, im Norden an den Seeküften feucht und unbeständig, in den Gebirgsgegenden zum Theil rauh und kalt, im Süden dagegen mild und trocken. Der Produktenreichthum ist groß und mannichfaltig. In Holstein und Mecklenburg finden sich treffliche Pferde, in den Marschländern der Ostsee kräftiges Nindvich, besonders in Ostfriesland und in der Schweiz; in Mitteldeutschland, namentlich in Sachsen und Schlesten veredelte Schafe; in Westphalen, der preußischen Provinz Sachsen und Bayern, Schweine. Von Wildpret finden sich Edel- und Dammhirsche (leytere in Holstein), Rehe, Gemsen, wilde Schweine, Hafen; von Naubthieren der Wolf hier und da in der Rheinproving, der Bär hin und wieder in den Alpen, der Luchs im Böhmerwalde. An der nördlichen Seeküste lebt der Seehund, in fast allen Theilen D.'s die Fischottern. Von Federvich finden sich Reb-, Birken- und Auerhühner, auch Schnee-, Haselhühner und Trappen, doch seltener; Fasanen in Böhmen und in den Alpen Geier und Adler. In Norddeutschland wird viel Gänse- und Bienenzucht getrieben, in Sachsen ist der Lerchenfang, im Thüringerwalde der Vogelfang bedeutend. Die Flüsse sind reich an Fischen mancherlei Art (Rhein- und Elblachs und Lüneburger Bricken), die Nordseeküsten an Austern. Der Boden erzeugt besonders Getreide, Wein, Gartengemüse, Obst, Flachs, Hanf, Rübsamen, Hopfen, Tabak, Kümmel, Anis, Fenchel. Im Norden giebt es große Kiefer- und Fichtenwaldungen, in der Mitte Eichenwälder, im Süden Laubholz und edlere Nadelhölzer, wie Lerchentaune, Ziebelnußkiefer und Weißtanne. Auch das Mineralreich ist ergiebig an Porzellanerde, Kobalt, Schwefel, Bernstein, Braunstein, Kalk, Marmor, Gyps, Alabaster, Schiefer, Steinkohlen, Torf, Salz; ferner an Quecksilber, Zink, Kupfer, Zinn, Silber, vorzüglich aber an Eisen und Blei. Mineralquellen zählt D. gegen 1000. Die Gesammtzahl der Einwohner D.'s schägt man auf 40 Millionen, von

denen 5/6 dem germanischen und 1/6 dem slavischen Stamme angehören; zu den leztern ge= hören die Czechen oder Böhmen, die Kassuben in Pommern, die Wenden in der Lausit und die Slawafen oder Kroaten. Außerdem wohnen in D. zersteut gegen 500,000 Juden, in Illyrien und Tyrol 250,000 Italiener, im Westen des Rheins und sonst zerstreut eine halbe Mill. Franzosen und Wallonen, in Oesterreich 6000 Griechen und endlich eine kleine Anzahl (ungefähr 1000) nomadisirende Zigeuner. Abgesehen von den Juden bekennen sich ungefähr 23 Mill. zur katholischen und 16 Mill. zur protestantischen Kirche; außerdem giebt es noch etwa 10,000 Herrnhuter, einige Tausend Menoniten, Wiedertäufer und Mitglieder anderer christlichen Secten. Die deutsche Sprache ist die herrschende vom Kamm der Alpen bis an den Nordseestrand, von den Küsten des Rhein-, Maas- und Schelde-Deltas bis an den Böhmerwald, die Weichsel und die Pregel, spaltet sich aber im Munde der untern Volksklassen in eine große Menge von Dialecten, je nach der Land- und Völkerschaft. Außerdem wird das Polnische in Oberschlesten, das Böhmische oder Ezechische in Böhmen und Mähren, das Wendische in den Lausizen, in Kärnten Krain und Illyrien die russisch-illyrische Sprache gesprochen.

Die Hauptnahrungszweige sind Landwirthschaft, Bergbau, Fabriken, Handel und Gewerbe. Die Landwirthschaft ist von hoher Bedeutung und hat einen solchen Grad der Vollkommenheit erreicht, daß der Ackerbau vielleicht nur dem englischen, die Viehzucht nur der der Schweiz nachsteht. Im Bergbau übertreffen die Deutschen alle andern Nationen und in Bezug auf die Fabriken kommen sie den Engländern und Franzosen, wenn auch nicht in Großartigkeit der Unternehmungen, doch in Trefflichkeit und Güte der Waaren gleich. Seit der Deutsche an feste Wohnsige gewöhnt war, zeigte er großen Erfindungsgeist, Eifer und Fleiß in Betreibung der Künste und Gewerbe. Schon im 13. Jahrh. ward in D. die Leinweberei, die Wollzeugweberei und Tuchmacherkunst, besonders in den kunstreichen und gewerbfleißigen Städten, Augsburg, Nürnberg, später auch Frankfurt a. M, eifrig betrieben. Die Nachkommen des Webers Hans Fugger in Augsburg, welche im 14, Jahrh. ein Handlungshaus in Antwerpen gründeten und eine Flotte ausrüsteten, wurden wegen ihrer Verdienste vom Kaiser Maximilian 1. in den Grafenstand und zu den bedeutendsten Aemtern erhoben. Ihr Reichthum begünstigte wieder die Künste und Gewerbe. Im nördlichen D. blühte in dieser mittlern Zeit, besonders in Braunschweig, Goslar, Magdeburg, Stendal, Stettin, deutsche Industrie und Holz-, Leder-, Glas-, Metall- und Steinarbeiten wurden daselbst in Menge von Zünften oder Gilden gefertigt. Unter den Industrien, welche sich in D. zuerst in großartiger Gestalt zeigten, steht unstreitig der Bergbau obenan, welcher auf dem Harze schon 978, im sächs. Erzgebirge 1167 und in Böhmen 1292 begann und dem sich bald die Eisenindustrie anschloß, besonders in Westfalen und im Oesterreichischen. Auch die Glasfabrikation wurde in D. (in Böhmen und Thüringen) früher als in andern Ländern bedeutend. Neben den Woll- und Leinewebereien standen die Färbereien in großem Ansehen, so daß England selbst noch im 16. Jahrh. seine rohen Tuche nach D. in die Farbe schickte. Im 14. Jahrh. wurde die Seidenweberei eingeführt und 1390 die erste Papiermühle in D. angelegt. Im 15. Jahrh. kam die Schleiermanus factur auf, auch fing man an, Taschenuhren zu verfertigen. Während des 16. Jahrh. wurden Zeugdruckereien in Augsburg und das Spizenklöppeln in Sachsen eingeführt, und Nürnberg und Augsburg erschienen mit ihren Waaren auf den engl., franz. und ital. Märkten. Der dreißigjährige Krieg und seine nachtheiligen Folgen vernichteten, wie den Handel, so auch Gewerbe und Industrie in D. fast ganz, und Frankreich, die Niederlande und England concurrirten seitdem in vielen Artikeln glücklich mit D.; doch hob sich die deutsche Fabrikindustrie zu Ende des 17. Jahrh. wieder, vorzüglich durch die nach Frankfurt a. M., Brandenburg, Hessen, Holstein, Mecklenburg, Sachsen und Bayern ges flüchteten französischen Hugenotten, so daß sie sich zu Anfang des 18. Jahrh. auf einer Höhe wie nie zuvor befand. Eine bedeutende Erweiterung gewann sie durch die Baumwollenindustrie. Nach dem siebenjährigen Kriege widmete Friedrich der Große, der sich zu mercantilischen Grundsägen bekannte, den verschiedenen Industrien seine Aufmerksamkeit und

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