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Wire nun ein Bite rem Künstler abgestritten, als dessen sicheres Werk es früher, auch laut Angabe älterer Schriftsteller, galt, se dürfen wir dafür ausreichende Gründe verlangen. Und wenn man es gar mit einem anderen Gemälde zusammenthut, um bles auf diese beiden Bilder hin die Existenz eines bisher noch ganz unbekannten Malers anzunehmen, so darf man doch wohl mindestens von diesen beiden Bildern die größte Uebereinstimmung und so viel gemeinsame Eigenthümlichkeiten erwarten, daß aus denselben eine ganz bestimmte Künstlerpersönlichkeit zu felgern ist. Gerade diese Verwandtschaft unter sich ist es aber, die wir an den beiden Gemälden vollkommen vermissen. In den Punkten, in welchen die Marienbasilika von anderen sicheren Bildern Hans Holbeins res Vaters abweicht, müßte sie tech mit dem Madonnenbilde des Maximilianmuseums stimmen; das aber ist nicht der Fall. Dieses sell vierzig Jahre früher als jenes entstanden sein, und tech ist gerade die Marienbasilika weit alterthümlicher im ganzen Charakter. Das erkennt auch Waagen*) an, obwohl er noch in seinem Handbuch in die Existenz des Malergreßvaters nicht den min desten Zweifel segt. Mit seinem Tacte hebt dieser becentence Kenner die hohe Ausbildung in entschieren realistischer Richtung, das perträtartige Ansehen der Köpfe, die Sorgfalt der Morellirung herver. Diese mehr realistische Auffassung aber ist gerade das Gegentheil von den Eigenschaften, welche die Marienbasilika von späteren Arbeiten Holbeins des Vaters un terscheiden. 3hr gerade mangelt nichts se sehr als die verbere, bewegtere Naturfrische, zu welcher cer Meister in der Felge gelangt. Ihr fehlt jene sorgfältig behandelte Scenerie, in die er später seine Gestalten zu versetzen. liebt, während das Bild des Maximilianmuseums schen eine überraschente Ausbildung des Landschaftlichen zeigt. Dieses Bildnißartige, das auch auf Resten der Schönheit vorherrscht, diese Schärfe und knöcherne Herbigkeit in den Gliedern, diese gesuchten, unruhigen Gewandmotive widersprechen. ihrem Charakter am entschiedensten. Alles vies scheint außerdem auf eine weit spätere Epoche hinzuweisen, als das Jahr 1459, welches die Inschrift nennt.

Aber auch noch durch einen zweiten und zwar äußerlichen Grund wirt Mistrauen gegen diese geweckt. Auf allen anderen Augsburger Gemälden, die mir je zu Gesicht famen, und ebenso in den vertigen Urkunden ist der Name Holbein stets und ohne Ausnahme mit ai geschrieben; das ist Augs

*) Handb. d. deutschen u. niederl. Malerschulen B. 1. S. 180.

Die Annalen des Katharinenklosters.

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burger Orthographie und Sprachgebrauch, nach denen man auch „ain", „bailig“, „Freihait" schrieb. Auf der Madonna des Maximilianmuseums aber steht nach moderner Schreibweise Holbein mit ei, was gewiß nicht unvertächtig ist. Man könnte vielleicht annehmen, dies sei durch ein Verjehen bei der Restauration entstanden. Aber wo „Holbein“ aus „Holbain“ gemacht ist, kann ebenso gut aus 1499" 1459" gemacht worden sein. Da fällt jede Verläßlichkeit fort. Auch ist die Form der Buchstaben und Ziffern so seltsam und geziert, wie sie sonst zu dieser Zeit nicht vorkommt, und die ganze Inschrift steht so übermäßig groß da, so auf das Gefehenwerden angelegt, wie kaum ein Künstler des 15. Jahrhunderts sie hingesetzt baben würde.

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Womöglich noch bedenklicher aber steht es mit einem anderen für ten Malergroßvater beigebrachten Beweise, auf welchen Passavant besonreres Gewicht legt. Dies ist eine Notiz, welche aus den Annalen des Katharinenklosters stammen sollte, die von der 1756 gestorbenen Nonne Dominica Erhardt aus den alten Urkunden und Rechnungen zusammengetragen wurden. Waagen und Passavant erhielten davon Mittheilung durch die Abschrift eines Auszuges, und ersterer hat die vorkommenden Nachrichten über ältere Bilder im zweiten Bande seiner Kunstwerke und Künstler in Deutschland" abgedruckt. Die Stelle, welche von der Marienbasilika handelt, lautet dort: „3tem Dorothea Rölingerin hat lassen machen. unser lieben Frauen Taffel, die gestatt 45 Gulden, vom alten Hans Holbein hie." Die Bezeichnung der alte Hans Holbein", meint Passavant, fann im Jahre 1499 nur auf den Großvater gehen, weil der Enkel als ganz kleines Kind noch nicht in Betracht kam.

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Die Originale jener Annalen sollten bei der Aufhebung des Klosters nach München gekommen sein und galten für verschollen. Nach langen vergeblichen Nachforschungen gelang es mir indeß, ihnen in der bischöflichen Bibliothek zu Augsburg auf die Spur zu kommen. In Beilage III ist ein trener Abdruck aller bezüglichen Stellen gegeben. Dieser zeigt, daß es nicht überflüssig war, auf die erste Quelle zurückzugehen. Die Auszüge, welche burch viele verschiedene Hände gegangen waren, lauten ganz abweichend rem Criginal, und zwar in einer solchen Weise, daß nicht ein bloßer Irrtham, sencern eine Fälschung vorzuliegen scheint, durch welche die beiden berühmten Kunstforscher getäuscht wurden. Die Stelle über die Marienbañlika heißt im Original; „Item Dorothea rölingerin hat lassen mahen Pajer liebn frau taffel die gestatt, oder stett 60 gulden." Hier ist

Beltmann, Holbein und seine Zeit.

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weder von einem alten Hans Holbein noch überhaupt von einem Helbein die Rede. Bei allen den Bildern sind nur die Stifter und die Preise, niemals aber die Künstler angegeben. Nur eine spätere Hand hat an drei Stellen Burgfmair und bei der Paulusbasilika Holbein an den Rand geschrieben; es ist, wie mir Herr Domprobst Steichele versicherte, rie Hand des bekannten Augsburger Kirchenschriftstellers Placidus Braun. An dieser Stelle aber ist sogar eine solche Nantbemerkung nicht da*).

So lösen sich alle äußeren Grünce für den Maler Großvater in nichts auf, und es würde als einziger Stützpunkt dieser Annahme rie auch von uns anerkannten Verschiedenheiten der Marienbasilika mit anderen Bildern Holbeins des Vaters bleiben. Tech nicht allen seinen anderen Bildern gegenüber fallen die Verschiedenheiten auf: merklich sind sie besonders im Vergleich zur Basilika des heiligen Paulus", die in der Augsburger Galerie richt neben der Marienbasilika hängt. Gegen jenes unerreichte Hauptwerk des Meisters steht diese allerdings zurück. 3m Paulusbilde scheint nach jeder Richtung hin eine ganz neue Epoche zum Ausbruck gelangt. Schranken, Unvollkommenheiten, Manier des fünfzehnten Jahrhun derts sind abgestreift. Frei, lebhaft und entschieden sind die Bewegungen, die Glieder sind sicherer durchgebildet, die Verhältnisse der Figuren kürzer, der Faltenwurf durchgehends feiner, maßreller, verstandener. Alle Köpfe sind Bilenisse, tren, scharf und schlagend aus dem Leben geschöpft. Währheit und Lebendigkeit hat in Ausdruck und Handlung Play gegriffen. Liebenswürdig ist die Landschaft, ist die ganze Scenerie behandelt. Am meisten der Bewunderung werth ist aber das Colorit in seiner Kraft und Frische, Sättigung und Glut.

Nöthigen aber diese Unterschiede durchaus zur Annahme zweier verschiedener Künstler, von denen der eine zu dem bestimmten Zwecke erst geschaffen werden muß? Können sie nicht getrennte Entwicklungstufen eines und desselben Künstlers bezeichnen? Nur wenige Jahre freilich können zwischen beiden Bildern liegen; aber damals war eine Zeit in der alle Verhältnisse sich in unaufhaltsamer Schnelligkeit wandelten, ganz besonders in Augsburg. Weshalb kann eine solche Zeit nicht auch den Künstler mitfortreißen? besonders da er in den Jahren, welche zwischen den zwei

*) Passavant spricht noch von einer anderen Netiz jener Zeit", werin 1497 ein Hans Holbein jun. vorkomme; da er nicht sagt, weher jene Notiz stamme, ist jedes weitere Eingeben auf sie unmöglich.

Verschiedenheit und Aehnlichkeit der Paulus- und Marienbasilika.

· 67 Bafliken liegen, wie wir später sehen werden, auf Reisen gewesen ist, und semit unaufhörlich neue Eindrücke empfing. Ist doch schon die Marienbasilika selbst ein rechtes Kampf- und Uebergangsbild. Bereits ist der alterthümliche Goldgrund verlassen, aber eine ausgebildete landschaftliche Ferne an die Stelle zu sehen, hat der Künstler noch nicht gewagt; einen Uebergang bildet der dunkle Sternenhimmel, den er hinter seine Darstellungen gespannt. Wohl aber ist die Kirche in der Mitte der Tafel bis in ihre Einzelheiten, ihre Durchsichten, ihren Schmuck mit ähnlicher treuer und geistvoller Sorgfalt durchgebildet, wie auf der Paulusbasilika die anmuthige Scenerie. Die Gestalten sind schlanker, als später gewöhnlich ist, rech nicht mehr ganz von jenen langzipfligen Gewandmassen umwallk, die in der Oberdeutschen Schule conventionel waren. Schongauers Gefühlsweise blickt noch vielfach in den Köpfen durch, aber seine schwärmerische religiöse Empfindung ist überall durch eine mehr weltliche Auffassung verdrängt; und namentlich in einigen Kinderengeln, sowie bei dem Christusfnaben mit dem Rosenkorbe tritt ein frisches Erfassen der Wirklichkeit, eine derbe Lebendigkeit, die uns überraschen müssen, auf. Das alte Hülfsmittel der Schriftbänder ist freilich noch an einer Stelle um des besseren Verständnisses willen angewandt, aber gerade diejenige Episode, bei der sie verkommen, zeichnet sich durch die frische und sinnige Art, in der die Begebenheit erzählt wird, aus.

Hiebei ist noch etwas bemerkenswerth. Die Originalzeichnungen zu zwei Theilen dieses Bildes befinden sich im Baseler Museum *), so vollLemmen übereinstimmend mit anderen Zeichnungen vom Vater Holbein, daß kein Zweifel an seiner Urheberschaft möglich ist. Sie sind flüchtig aber in sicheren Zügen mit der Feder gemacht. Das erste Blatt stellt die Krönung Marias, das zweite den Tod der heiligen Dorothea, über der zwei Engel schweben, vor. Hier ist die Stifterin, neben welcher eine Tafel mit der Inschrift anno.d 1499 steht, nicht wie im Gemälde kleiner, sondern von gleicher Größe wie die Heilige selbst, und auch die Schriftbänder fehlen. Somit fallen die am meisten alterthümlichen Züge ta fort, wo der Künstler sich am ursprünglichsten und ungezwungensten geben fonnte, nämlich in seiner Skizze. Was im Gemälde hinzutrat oder geändert ward, kann daher leicht aus dem Wunsch der Auftraggeber hervergegangen sein.

*) Saal der Handzeichnungen Nr. 99, 100.

Soviel von der Auffassung im Großen und Ganzen. Für die Turch führung im Einzelnen ist aber noch ein anderer Punkt sehr stark in Erwägung zu ziehen: der Unterschied der Preise, welche dem Künstler für die beiden Bilder gezahlt wurden. Das ist ein Punkt, auf den in der Kunstgeschichte überhaupt mehr Gewicht zu legen ist, als bis jetzt geschieht. Von der Höhe des Lohnes hing es ab, wie viel der Künstler selbst an einem Bilde that und wie viel er den Gehülfen überließ. Für die Marienbasilika wurden 60 Gulden gezahlt. Die Paulusbasilika dagegen war nebst einem anderen Bilte, das Hans Burgkmair ausführte, von der reichen Veronika Welser bestellt, die für beite zusammen 187 Gulden zahlte. Das giebt durchschnittlich 93 und einen halben Gulden für eines. Deshalb fühlte sich hier der Meister gespornt, Alles was er vermochte aufzubieten. Mit der hingebendsten Liebe hat er diese Arbeit durchgeführt, sein ganzes Können an ihr erprobt, ihr das Gepräge seines Geistes bis in die kleinsten Züge ausgedrückt.

Dazu giebt es auch Bilder, die zwischen beiden Gemälden stehen und die Art des einen mit der Art des andern vermitteln. So zum Beispiel eine Tafel in der Augsburger Galerie, mit Marias Krönung und Scenen aus der Passion, im selben Jahre wie die Basilika S. Maria Maggiore, nämlich 1499, gemalt. Die meisten Schriftsteller theilen sie dem Vater Holbein, Ernst Förster*) aber dem Großvater zu. Auch diese Meinungsverschiedenheit ist ein neuer Beweis, auf wie schwachen Füßen die Annahme von zwei älteren Malern Hans Holbein steht.

Nach einer Erklärung, welche der Archivar der Stadt Augsburg, Herr Theodor Herberger, schen im Jahre 1855 zu Ulm vor den versammelten. Geschichts- und Alterthumsforschern auf Befragen abgegeben, scheinen dieser Annahme auch die urkundlichen Quellen durchaus zu widersprechen. Der Inhalt seiner Aeußerungen ist nach dem Bericht im Deutschen Kunstblatt **) folgender: In den Steuerbüchern werde im Jahre 1460 ein Michel Holbein, Lederer und Hausbesitzer, erwähnt. In demselben Hause trete 1493 Thoman Burgfmair auf, aber schen 1494 der Maler Hans Holbein ver Vater und zwar von 1496 als Eigenthümer, während seine Mutter, eie Wittwe des Michel, als Auszüglerin darin fortwohne.

Was mir durch die Güte des Herrn Herberger an urkundlichen Nachrichten vorliegt, stimmt freilich nicht in allen Punkten mit jenen Aeuße

*) Geschichte der deutschen Kunst II. S. 212. **) 1855. S. 371.

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