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Muthmaßungen durchkreuzten einander auf allen Selten. Die Hauptverwirrung kommt meines Erachtens daher, daß man den Reineke Fuchs mit Gewalt und ausschließungsweise zu einem deutschen Product machen wollen. Ich hoffe wenigstens einigen Irwegen auszuweichen, wenn ich die Geschichte deßelben chronologisch darstelle, so weit nämlich meine Kenntniß reicht; denn so wird am Ende das Resultat meines Nachforschens von sich selbst in die Augen fallen.,

Es ist sonderbar, daß man den Fuchs in alten Zeiten immer zum Sprecher politischer Marimen und Regeln der Regierung gemacht hat. Man sieht dieses schon aus dem berühmten Buche Relila und Dimna, wo unter der Hülle einer Menge von Fabeln die vor nehmsten Regeln der Staatsflugheit und der bürgerli chen Regierung von zwei Thoes, einer Art Füchsen, die in Indien sehr gemein find, erzählt werden. *) Da

bie

*) Joannes de Capua ein getaufter Jude und Italienis scher Schriftsteller übersehte dieses Buch aus dem Hebräis schen ins Lateinische, unter folgendem Titel:

Directorium vite humane, alias Parabole antiquorum Sapientum. 4. ohne Jahrzahl und Druckort, mit vielen Holzschnitten.

Ein unbekanter Rabbi Joel hatte es aus dem Arabischen ins Hebräische übersetzt. Die arabische Ueberseßung ivar aus einer Persischen, und diese aus dem Indianischen Original gemacht worden. Marchand Dift. lean de Capoue. Diese Ueberseßung des Jóann de Capua ist von dem Abuschalem, den Hr Lehmus in Soest 1778. 8.

die deutschen Namen der Thiere, die in dem Gedichte vom Reineke Fuchs vorkommen, als Ifegrim und Reineke, Reinart auch in den fremden Sprachen vor kommen, worinn dieses Gedicht geschrieben worden, so ist es allerdings wahrscheinlich, daß irgend ein deutsches altes Gedicht, Spottlied oder Fabel zum Grunde liege und vieleicht den Ausländern zu ihren Gedichten habe Gelegenheit gegeben. Ob aber von einem Deutschen in den alten Zeiten ein Gedicht von der Form und dem Inhalt des ießigen Reinekefuchses sei verfertigt worden, läßt sich aus Mangel der Nachrichten schlechterdings nicht behaupten. Den deutschen Namen Jsegrimm findet man schon im zwölften Jahrhunderte bei den Troubadours. Es sind von Richard I. König von England, der auch ein Troubador war, und im Jahr 1199. bei Belagerung des Schloßes Chaluis mit einem Pfeile erschoßen wurde, noch zwei Sirventes übrig die eine, welche er in feiner Gefangenschaft auf einem Schloße in Desterreich schrieb, worinn er sich über sein Unglück beklagt; und die andre schrieb er nach seiner Gefangenschaft während des Krieges mir Philipp Au. guft gegen den Dauphin von Auvergne und den Grafen, da er sie nicht zum Bündniße mit ihm bewegen fonnte. Er sagt zu beiden: Ihr habt mir Treu und Glauben versprochen, aber ihr habt es gehalten wie der Wolf

zu Leipzig herausgegeben, ganz verschieden. In der Akademie Bibliothek zu Liegniß habe ich eine Handschrift von dem Buche Kelila in einer lateinischen Ueberseßung gefunden.

Wolf dem Fuchse. Im Terte wird der Wolf Ifans
grin genennt."). In den Zeiten der Minnefinger hieß
schon der Fuchs Reinhart und der Wolf Isegrim.
Der edle Marner, der im 13ten Jahrhunderte dich.
tete, nennt fie in folgender Fabel ausdrüklich alfo':
Ein Efel gab für eigen fich

Dem fuchfe das was guot

Da lert er in fprechen wihteklich

Si waren beyde hochgemuot

Seht do vuort her reinhart feinen knappen in

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Der efel in dem grafe wuot

Da schuff im fein mag unfroide

Das er fang ein Hugelied als e
Zuo dem gedône kam gegangen ifegrim
Swas reinhart feit u. f. f. )

Warum der Fuchs den Namen Reinike oder Rein
hart bekommen, leitet Eccard daher. Im sten
Jahrhunderte und zu Anfange des zehnten war der
Graf Reginardus oder Reinhart wegen seiner Ver-
fchlagenheit und liftigen Anschläge in dem austrasischen
Reiche berühint; als er von seinem Könige Zwenti
bald,

y) Hiftoire litteraire des Troubadours. Tom. I. p. 63. 2) Proben der schwäbischen Poefïe. S. 228.

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bald, deßen Rath er war, aus dem Reiche verwiesen wurde, entfloh er mit Weib und Kind in sein festes Schloß Durfos; dieses wurde zwar von Zwentibald belagert, aber er fonte es nicht erobern, sondern muste unverrichteter Sache abziehen. Nun meint Eccard, wäre von den Nachbarn nach damaliger Gewohnheit die Verschlagenheit des Reinharts in Volksliedern be fungen, und er selbst wåre in denselben der Fuchs ge nennt worden. “). Dieses ist freilich nichts mehr und nichts weniger als eine scharfsinnige Muthmaßung. Auf eben diese weise leitet er auch den Namen Jsegrim, der in den mittlern Zeiten in Volksliedern und Fabeln dem Wolfe gegeben wurde, von einem Spottliede, das auf den österreichischen Grafen Isengrin, der sich gegen den Kaiser Urnulph empört, gemacht worden. ") Aus den Volksliedern nun, welche die Gallier auf den Reginardus oder Reinhart in den Niederlanden gefungen, worinn sie ihn mit einem verschlagnen Fuchse vergleichen, glaubt Eccard wåre im 13ten Jahrhuns derte in den Niederlanden die Fabel vom Reinikefuchs in französischer Sprache um die Zeit Otto IV. gemacht worden. ) Wir laßen dieses dahingestellt seyn, und können dem Eccard in seinem hohen Fluge, da wir ihn

aus

a) Eccard in Praefat. ad Collectan. Etymolog. Leibnitzii. p. 36.

Commentar. de rebus Franciae oriental. Tom II. p. 797.

c) Eccard in Praefat. ad Collect. Etymolog. Leibnitz. P. 39.

aus den Augen verliehren, nicht folgen. Hierauf meint Eccard, wäre dieses Gedicht um das Jahr 1290. in eine neue Form gebracht, und unter dem Titel des Neuen Reineke (Nouveau Renard) von Jaque, mars Gielee aus Lisle in Flandern herausgegeben wor den. 4) Unterdeßen ist so viel klar, daß die ersten Gedichte vom Reinekefuchs unstreitig in die französische Lite teratur gehören, und noch ißt handschriftlich sich in Frankreich befinden,tem

In den französischen Bibliotheken ist wirklich noch ein satirischer Roman in Handschriften befindlich, wel cher den Titel führt

Le Renard couronné;

Er wurde von einem ungenannten Dichter, im wölften Jahrhunderte verfertigt, der auch der Verfaffer des Roman de Garin de Loherans ist, der sich auch theils in Versen theils in Prosa in französischen Handschriften befindet. Du Cange und Du Fresne füh ren hin und wieder Stellen aus diesem Gedichte an, Lehterer hat bei dem Worte Ifengrin folgende Stelle aus demselben angeführt:"

Lupus qui s'apiele en fornon

Ifengrin, venoit en lor route.

Diefer gekrönte Reinekefuchs aber soll von denen deren ich bald gedenken werde, ganz verschieden seyn.“)

2) Ibid. p. 48.

Du

⚫) Eccard. 1. c. p. 49. Adelung in Büschings wöchentli

chen Nachrichten 1775. S. 231

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