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Non morietur opus tersum, spectabile, sacrum;

Clarior hac fama parte Viatus erit.

(Nott, pag. CVIII.)

Trotz dieser Lobeserhebungen gehört die Paraphrase der Psalmen zu jenen Werken, welche allein nicht im Stande gewesen wären, Wyatts Namen der Vergessenheit zu entziehen. Die Ursache hievon ist nicht blos der Versbau, der, obwohl besser als jener in den Sonetten, doch noch manche Fehler besitzt, sondern die Natur des Werkes selbst. Dr. Nott, der sich in dieser Hinsicht an Johnson anschliesst, ist der Meinung, dass religiöse Gegenstände überhaupt nicht für eine poetische Behandlung geeignet seien. Die Hauptursache aber, warum eine jegliche Paraphrase der Psalmen uns nicht ansprechen kann, scheint darin zu suchen zu sein, dass jede Umschreibung, und mag sie noch so geistreich sein, doch nur die ursprüngliche Einfachheit, Kraft und Majestät der von dem königlichen Sänger ausgedrückten Gedanken schädigt; gleichwie ein Denkspruch nur in seiner knappen Form wirkt und zu Herzen geht, wogegen die schönste Umschreibung desselben uns nicht zu erwärmen vermag.

Wyatt hat sich bemüht, die sieben Busspsalmen dadurch zu einem einheitlichen Ganzen zu verbinden, dass er einen zusammenfassenden Rahmen hinzufügte, für welchen er Anregungen aus Bezas Praefatio Poetica in Davidicos Psalmos quos poenitentiales vocant erhalten haben dürfte. In dem ersten „Prologe des Verfassers" bringt Wyatt die Sünde, sowie die durch die Ermahnungen des Propheten Nathan hervorgerufene Reue Davids zur Darstellung; von schrecklichen Gewissensbissen gepeinigt, begibt sich David nach einer dunklen Höhle und stimmt daselbst seinen ersten Psalm an. Die folgenden Prologe verknüpfen die einzelnen Psalmen durch bald mehr, bald minder gelungene Betrachtungen über den Zustand des königlichen Büssers und bewirken so, dass wir in dieser Uebertragung ein in sich abgeschlossenes Werk erblicken können. Die Busspsalmen selbst sind von Wyatt ohne irgend welche Anlehnung an frühere Uebertrager übersetzt worden; denn wenn auch Dr. Nott (p. CXVI) sagt, dass

Wyatt vielleicht die Psalmen des Dante und des Luigi Alamanni (eines florentinischen Dichters 1495-1556) gekannt haben mag, so fügt er doch auch hinzu, dass seine Paraphrase keine Spur von einer Nachahmung dieser Dichter zeigt. Ich glaube von der Art und Weise der Uebertragung Wyatts durch nichts eine bessere Vorstellung geben zu können, als indem ich die gewöhnliche Prosaübersetzung eines Psalmes den entsprechenden Versen Wyatts voranschicke. Ich wähle zu diesem Zwecke den 130. Psalm „De profundis clamavi ad te, domine" (Ald. Ed., pag. 227; Nott, pag. 134):

Out of the depths I have cried to thee, O Lord; Lord, hear my voice.

Let thine ears be attentive to the voice

From depth of sin, and from a deep despair,
From depth of death, from depth of heart's

sorrow,

From this deep cave of darkness deep repair,
Thee have I called, O Lord, to be my borrow.
Thou in my voice, O Lord, perceive and hear
My heart, my hope, my plaint, my overthrow,

My will to rise: and let by grant appear, That to my voice thine ears do well attend; No place so far, that to Thee is not near; of my suppli- No depth so deep, that thou ne mayst extend Thine ear thereto; hear then my woful plaint:

cation.

If thou, O Lord, wilt mark iniquities, Lord,who shall stand it?

For with thee there is merci

ful forgive

ness: and by

reason of thy law I have

For, Lord, if Thou observe what men offend,
And put thy native mercy in restraint;
If just exaction demand recompense ;

Who may endure, O Lord? who shall not faint
At such accompt? so dread, not reverence

Should reign at large. But Thou seekest rather
love;

For in thy hand is Mercy's residence;
By hope whereof Thou dost our hearts eke

move.

waited for I in the Lord have set my confidence : thee, O Lord.

My soul hath relied on his

word; my soul hath hoped in the Lord.

From the morning watch even until

night, let Israel hope in the Lord,

Because with

the Lord there

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My soul such trust doth evermore approve:
Thy holy word of eterne excellence,
Thy mercy's promise, that is alway just,
Have been my stay, my pillar, and defence.
My soul in God hath more desirous trust,

Than hath the watchman looking for the day,
For his relief, to quench of sleep the thrust.
Let Israel trust unto the Lord alway;

For grace and favour are his property:
Plenteous ransom shall come with him, I say,

And shall redeem all our iniquity.

Dr. Nott ist der Ansicht, dass Wyatts Beschäftigung mit den Busspsalmen ein Zeichen der Reue über sein früheres Leben ist. „The Paraphrase of the Seven Penitential Psalms was written, not as an exercise of his skill as a poet, but to express a Christian's sorrow for the levities and errors of his youth... he condemned himself for that fanciful attachment to Anne Boleyn, which, though it had never proceeded to the length of actual criminality, appeared then in its real form as a sort of mental adultery, and a positive dereliction of duty" (LXVIII). Trotzdem aber will es mir scheinen, dass der gelehrte Geistliche hier in seinem Eifer, Wyatt so fromm als möglich hinzustellen, etwas zu weit gegangen sei; sagt er ja doch selbst an einer anderen Stelle von der platonischen Liebe, dass those attachments were then allowed as innocent, and that they were even admired as

Wiener Beiträge. I.

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3

tending to the exercise of personal virtue and self-control" (XXVI, Note 2). Die Annahme, dass Wyatts mit dem vorgerückteren Alter auch ernstere Gemüthsstimmung ihn ein besonderes Wohlgefallen an der düsteren Poesie Davids finden liess und ihn bewog, seine Psalmen ohne welche Nebenabsichten zu paraphrasiren, bietet sich jedenfalls viel einfacher und natürlicher dar.

VI. Satiren.

Die drei Satiren Wyatts, welche, wie bereits erwähnt, ungefähr zu derselben Zeit wie die Psalmen geschrieben sein müssen, sind ohne allen Widerstreit jene Werke, welche das Genie unseres Dichters am meisten ehren und die sicherste Grundlage für seinen bleibenden Ruhm bilden. In jeder Zeile erkennen wir einen in der Schule des Lebens gereiften Geist, der hier seine im Laufe langer Jahre gesammelten Erfahrungen niedergelegt hat; in jeder Zeile lernen wir Wyatt als einen Mann von reinstem Charakter kennen, dessen Herz von edlem Abscheu vor dem Laster und von erhabener Liebe zur Tugend und Ehrbarkeit erfüllt war. Wir müssen daher mit Warton aufrichtig beklagen, dass er nicht mehr Werke dieser Art hinterlassen hat, da er dafür so ausserordentlich begabt erscheint.

دو

Die erste Satire On the mean and sure estate“, die an seinen Freund John Poins gerichtet ist, bringt uns zwei andere, denselben Gegenstand behandelnde Werke in Erinnerung. Das eine ist die sechste Satire des zweiten Buches des Horaz, mit der Wyatt als ein Mann, den selbst der gelehrte Camden splendide doctus nannte, jedenfalls vertraut war; das andere ist eine Fabel Robert Henrysons (eines schottischen Dichters des 15. Jahrhunderts), betitelt: „Of the Uponlondis Mous, and the Burges Mous", deren Kenntnis bei Wyatt vielleicht auch vorausgesetzt werden darf. Die berühmte Satire des römischen Dichters ist ja allgemein bekannt. Nachdem Horaz in längerer Rede den Gedanken ausgeführt hat, dass das wahre Glück nicht im rauschenden Getümmel der Welt, sondern nur in der stillen Zurückgezogenheit, wo wir so recht uns selbst leben können, zu

finden sei, fügt er zur Veranschaulichung dieses Satzes die Fabel von der Stadt- und Landmaus hinzu. Eines Tages, als die Stadtmaus ihrer Verwandten auf dem Lande einen Besuch abstattet, kann sie selbst durch die besten Speisen, welche die letztere ihr zu bieten vermag, nicht befriedigt werden. Deshalb fordert sie ihre Freundin auf, mit ihr in die Stadt zu kommen, wo sie sich aller möglichen Leckerbissen erfreuen könne. Gesagt, gethan. In der Stadt angelangt, thun sich die beiden Mäuse an den köstlichen Speisen, welche in der wohlgefüllten Vorrathskammer eines reichen Hauses aufbewahrt sind, gütlich, und die Landmaus ist entzückt über die Verbesserung ihres Loses:

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Valvarum strepitus lectis excussit utrumque.
Currere per totum pavidi conclave, magisque
Exanimes trepidare, simul domus alta Molossis
Personuit canibus. Tum rusticus „Haud mihi vita
Est opus hac ait, „et valeas: me silva cavusque
Tutus ab insidiis tenui solabitur ervo.“

(Sat. II, 6, v. 111–117.)

Ganz in derselben Weise erzählt auch Henryson in seiner Fabel diese Geschichte. Auch hier erhält die Feldmaus zuerst den Besuch ihrer städtischen Freundin und begibt sich mit ihr zur Stadt, wo sie sich köstlich pflegen. Allein:

Thus as thay sat in all thair jolitie,

The Spensar came with keyis in his hand,
Oppynnit the dur, and thame at denner fand.
(Nott, pag. 454.)

Kaum ist diese Gefahr glücklich vorüber, so gehen sie abermals ans Essen:

But skantlie had thay drunkin anis or twyce,
Quhen in come Gib Hunter, our jolie cat.
(Nott, pag. 455.)

Nur mit grosser Noth entgeht die Landmaus den Nachstellungen der Katze, die sich endlich zurückzieht; nun aber spricht sie zur Gastgeberin:

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