Page images
PDF
EPUB

organisch-sociologischen Form als unhaltbar; es spielt sich bei ihm ein dem antiken, kosmischen verwandter Prozess ab. Die Vorstellung von einem Organismus, ursprünglich ein metaphorisches Anleihen, wird als vollste Wirklichkeit für ein zwar nicht völlig, immerhin jedoch vielfach verschiedenes Gebiet in Anspruch genommen und durch willkürliches Zusammentragen, erzwungene Zusammenstellung sociologischer Thatsachen. Verhältnisse, Erscheinungen. Rhytmen gelingt es, eine durchgehende Analogie, einen eigentlichen Parallelismus, sogar eine partielle Identität einzurichten, sociale Gesetze anzunehmen. Gesetze aber existieren vorläufig nur in den naturwissenschaftlichen Disciplinen. welche, wie die Biologie und Psychologie, ursprünglich in sich geschlossene und abgegrenzte Gebilde untersuchen. 1)

Nachdem wir sowohl den antiken physisch-psychischen, wie den modernen metaphysischen und sociologischen Mikro- und Makrokosmos als im Wesentlichen unhaltbar bezeichnen mussten, bleibt auch für unsere Theorie als solche kein anderes Urteil übrig. Sie ist ein Ausfluss der anthropocentrischen Weltanschauung. d. h. der Nötigung des Menschen die Welt. sei es der Kosmos als Aussenwelt im antiken Sinn oder die fremde Seinswelt oder die Menschenwelt nach der Weise seines eigenen Seins sich zurechtzulegen; doch begeht sie den Fehler statt des Bildlichen, Methaphorischen das Gegenständliche. Begriffliche zu setzen und von ursprünglichen blossen Uebertragungen aus Schlüsse nach Analogie zu ziehen. Hierin liegt ihr zweiter Hauptfehler, denn Analogienschlüsse bieten keine Sicherheit und Gewissheit. nur Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit. Man höre nur welch untergeordnete Bedeutung die Logiker ihnen beilegen. J. St. Mill) nennt sie blosse Wegweiser zur Induktion"; Dilring) bezeichnet ihr Ergebnis als windige Gleichnismasse". Sigurart 4) fasst sie auf als Mittel zur Aufstellung von Hypothesen. das nur auf allgemeine, unbestimmte Sätze führe; Wundt3) reiht sie, weil unvollständig, unter die Subsumptionsschlüsse; B. Erdmann) hält ihre Resultate für problematisch; Barth) be1) Rümelin, Reden und Aufsätze: Ueber den Begriff eines socialen Gesetzes."

2) Logik III, 20.

3) Logik, p. 108 ff.

4) Logik II. p. 83, 97.

9) Logik 2. A., I, 346. f.

6) Logik, p. 615.

9 A. a 0. p. 96.

[ocr errors]

་་

zeichnet sie als unvollständige Identität. Für die Anwendung der Analogienschlüsse lassen sich eben keine Grenzen ziehen, keine Bestimmungen über das Verhältnis von Unterschieden und Aehnlichkeiten zweier zu vergleichender Objekte angeben. Die Analogie hat nur Wert als heuristische Methode. Analogien sind Aehnlichkeiten in den Bestimmungen. Letztere können aber ganz willkürlich gewählt werden; die ganze Geschichte der Theorie vom Mikro- und Makrokosmos bietet den Beleg dafür. Passende Merkmale werden gewählt, unpassende weggelassen, nötige oder zur Ausbildung geeignete neu geschaffen oder auf dem Weg der Hypothese kreiert. Analogien und Schlüsse aus der Analogie gleichen jener Zauberflasche, aus welcher man unendlich viele verschiedene Dinge herausziehen kann oder auch nicht. Die Theorie vom Mikro- und Makrokosmos, welche ihrem eigentlichsten Wesen nach auf dem Analogieschluss basiert, ihm ihr Leben verdankt man denke nur an das Fragment ihres Begründers Anaximenes muss deshalb als eine philosophische Lehre und Denkrichtung bezeichnet werden, welche, con ursprünglich richtiger Basis, nämlich der methaphorischen Analogie zum Menschen ausgehend, durch willkürliche Verfahrungsweise und zum Teil apriorische Annahmen allerdings zu oft einnehmenden, bestechenden, glänzenden, aber in der Hauptsache unhaltbaren Resultaten gelangt.

Trotz aller Mängel, verhängnisvollen Irrgänge, phantastischen Auswüchse, falschen Analogien, verfehlten Konstruktionen kommt. unserer Theorie doch das eine grosse Verdienst zu, dass sie im Altertum wie in der Neuzeit eine zusammenfassende Anschauung des Seins, eine harmonische Weltbetrachtung bieten wollte. Dieses Verdienst ist besonders hoch anzuschlagen gegenüber der vielfachen Zersplitterung und Zusammenhanglosigkeit, welche das zunehmende Wissen nach sich zog. Die Theorie vom Mikro- und Makrokosmos entstand dem antiken Bedürfnis der Orientierung über Welt und Mensch; eine grosse kosmopolitische Gesellschaft hat sie in ihren Bannkreis gezogen und ihre letzten Vertreter hofften durch sie die Resultate eines ganzen Kranzes von Wissenschaften in harmonischer Fassung vereinigen zu können; manches Gebiet hat ihr fruchtbare Anregung zu verdanken, man denke nur an die stoische Ethik, an die paracelsische Reform der Medizin. Ihrem Motiv nach gründet sich unsere Theorie auf den alten Grundsatz, dass Aehnliches nur durch Aehnliches erkennbar sei und beruht deshalb auf einer Lebertragung der Einheit des Bewusstseins. des Denkens auf die Ein

heit des Seins, sie bedeutet eine Hinüberprojizierung der im eigenen Denken wahrgenommenen Einheit auf den Weltprozess, worauf die Sache wieder rückwärts auf den Menschen übertragen. vom grössern Ganzen auf das Einzel-Ich zurückgeschlossen wurde. Das mikromakrokosmische Element, ursprünglich mehr nur eine Zierrat, gestaltete sich deshalb bald einmal mehr und mehr zu einem konstitutiven Element. zu einem Princip der Weltanschauung; dies geschah nicht erst in der neueren Philosophie, sondern war schon bei Plato und Aristoteles der Fall. So wird jede einheitliche Seinsanschauung. jede auf eine einheitliche Erklärungsform gerichtete Denkweise, jeder Monismus immer wieder nur auf dem Weg des Mikro- und Makrokosmos entstehen können. weshalb dieser schon das Problem der Philosophie überhaupt genannt worden ist. In der That lässt sich auch der mittellalterliche Universalienstreit. die Frage des Realismus und Nominalismus. das Verhältnis von Art und Gattung, Individuum und Art von Naturgesetz zu Denkgesetz darauf zurückführen. Bei allem Bedürfnis nach Einheit darf man jedoch nicht vergessen, dass es sich stets nur um Vergleiche handelt und handeln kann, weil jedes Wort ursprünglich ein Tropus, ein figürlicher Ausdruck ist und wir genötigt sind. die Welt metaphorisch nach Analogie des eigenen Seins zu erklären.

Die Grösse der Theorie vom Mikro- und Makrokosmos liegt in ihren Versuchen eine zusammenfassende Anschauung der Wirklichkeit zu ermöglichen, ihre Schwäche darin, dass dies auf Kosten strenger Wissenschaftlichkeit geschah. Unsere Theorie dürfte wie kaum eine andere Erscheinung auf dem Gebiet der Philosophie und ihrer Geschichte das Emersonsche Citat illustrieren:

„Die Reiche des Seins beugen sich keinem andern

-

Sie sind nicht nur alle dein, sondern sie alle sind du selbst."

Dies heisst nichts Anderes als dass der Name der Theorie eine Umformung verdient und verlangt, dass ihr Wesen den adäquatern Ausdruck findet, wenn man statt von der Theorie des Mikro- und Makrokosmos von der Theorie des Makranthropos und Mikrokosmos spricht.

[blocks in formation]
[blocks in formation]

Ocellus, 36-37.

O.

P.

Paracelsus, Theophrastus, 57-61, 97,
98, 104, 107.

Paulsen, 72, 73, 100, 113.

Philo, 38-39, 40, 97, 104, 106.
Photius, 38.

Plato, 9, 15, 18-25, 26, 30, 46, 49,
50, 56, 69, 71, 77, 78, 97, 99, 103,
104, 106, 107, 110, 112, 113, 114,
119.

Plotin, 40-45, 49, 106, 112.

Plutarch, 5, 6, 9, 31, 33, 34, 38, 39

bis 40, 104, 106.

Porphyrius, 7.

Posidonius, 31.

Protagoras, 15, 16.

Pseudopythagoras, 38, 97.

Pythagoras, 5-7, 99, 102, 105, 111.
Pythagoraer, 6, 7, 38, 98.

R.

Raymund von Sabunde, 50.

Ritter, 50.

[blocks in formation]

Roeth, 7.

Rümelin, 117.

S.

Salomo Ibn Gabirol, 50.

Schäffle, 79, 85-92, 94, 97, 100, 104,

107, 113, 114, 115, 116.

Scharpff, 52.

Schelling, 69, 74, 102.

Schopenhauer, 48, 70, 97, 98, 104, 113.

Schuster, 8, 9, 10, 11, 98, 115.

Scotus, Johannes Eriugena, 49.
Sextus, Mathematicus, 14, 15.
Siebeck, 10, 98.
Sigwart, 117.
Simplicius, 5, 7.

Sokrates, 17-18, 103, 106, 112.
Sophisten, 14, 15-17, 70, 108.
Spencer, 79-85, 86, 91, 92, 94, 104,
107, 113, 114, 115, 116.

« PreviousContinue »