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Conversations-Lerikon.

Für alle Stände.

Von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten bearbeitet.

Elfter Band..

Portugal - Romagnofi.

Leipzig,

Verlag von Otto Wigand.

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P.

Portugal. Die Verwirrung, welche noch in der innern und äußern Verwaltung dieses Königreiches herrscht, trägt die Schuld, daß das Ausland in Bezug auf Portugal, seine Statistik und finanzielle Lage noch immer nicht zu einer richtigen Vorstellung gelangen kann. Auch wir geben nur, mit sehr geringem Anspruch auf Vertrauen, das, was sich in Bruchstücken in den neuern Reisewerken hie und da zerstreut findet. Noch immer wird das Land von Parteiungen erschüttert; noch immer schwankt es zwischen den Extremen; und Raub und Mord, zum Theil sogar von den Gesezen beschüßt, veröden das Land, das zu den schönsten und glücklichsten Europa's gehören könnte. Wie wenig aber bei solchen bestehenden Verhältnissen auf die von den Behörden öffentlich gegebenen Angaben, in Bezug auf Bevölkerungszahl, Einnahme des Landes 2c. zu rechnen ist, wie wenig von einem geordneten Handels- und Gewerbsleben die Rede sein kann, leuchtet von selbst ein. Bis zum Jahre 1835 war das europäische Territorium in sechs Provinzen abgetheilt, die zum Theil nach Naturgrenzen benannt waren und von denen nur Algarbien noch nach der Errichtung des portugiesischen Staates ein für sich bestehendes Reich unter der arabischen Herrschaft gebildet hatte. In dem genannten Jahre bildete man aus der Provinz Beira zwei Provinzen, Ober- und Unter-Beira, und alle sleben Provinzen wurden in 17 Districte abgetheilt, die wieder in 780 Bezirke (Concelhos) zerfielen, von denen je nach der Bevölkerung, 16—60 auf einen District kamen. Die Gesammtzahl der Kirchspiele betrug zu Ende des Jahres 1845 nur noch 3736, während fle 1801 sich auf 4262, und noch 1836 auf 4034 belief. Früher wurde die Bevölkerungszahl durchschnittlich nach vorausgegangener Zählung der Feuerstellen berechnet, die fich zu Ende des Jahres 1845 auf 847,343 belief. In demselben Jahre zählte man auch die Bevölkerung genauer nach Köpfen und fand eine Gesammtbevölkerung von 3,412,500 Seelen. Die bevölkertste Provinz ist Minho, mit 133,364 Feuerstellen, die am schwächsten bevölkerte Alemtejo mit nur 72,397 Feuerstellen. Nächst Minho ift Douro am bevölkertsten und dann erst kommt Estremadura mit der Hauptstadt Lissabon. Unter den auswärtigen Besizungen find seit dem Decret der Königin Maria im Juli 1835 die Inseln im atlantischen Meere den europäischen Bestzungen gleichgestellt und ihre Bewohner, die der Mehrzahl nach von portugiesischer Abstammung sind, theilen mit dem Mutterlande die politischen Rechte. Sie bilden vier Districte, zusammen 2241/3 OM. mit 87,000 Feuerstellen und ungefähr 348,000 Bewohnern. Am bevölkertsten und wichtigsten ist der aus den Inseln Madeira und Porto Santo bestehende District, der 181/2 DM. groß ist und 25,000 Feuerstellen zählt. Die Azoren bilden zwei Districte: der östliche mit zwei Inseln und 20,000 Feuerstellen auf 18 DM.; der westliche mit fleben Inseln und 30,000 Feuerstellen auf

39 M.; die Inseln des grünen Vorgebirgs machen den vierten District aus und bestehen aus 12 bewohnten Inseln und 12,000 Feuerstellen auf 149 OM. Zu demselben Districte gehören noch die senegambischen Bestzungen, die Stadt Cacheu, die Insel Bissao und die Colonien Farim, Zeguidor und Geba. Die übrigen europäischen Befizungen der Vortugiesen gelangten erst nach der Verfassung vom 21. März 1838 zur vollständigen Theilnahme an den politischen Rechten und werden im Senat durch 5, in der Deputirtenkammer burch 14 Mitglieder vertreten. Sie ftud troß ihres großen Umfanges und ihrer vortheilhaften Lage jezt nur noch von sehr geringer Bedeutung, da eines Theils die portugiesische Regierung nichts thut, um ihren Handel zu heben, andern Theils das Uebergewicht des britischen Handelsverkehrs in jenen Meeren sie nicht aufkommen läßt. Sie bilden 6 Gouvernements, von denen 3 in Afrika und 3 in Asten find; in Amerika besigt Portugal keine Colonien mehr. Die 6 Gouvernements find: 1) das auf der Küfte Guinea 1911⁄2 OM. mit 20,000 Einw.; 2) Angola mit 14,750 OM. und 376,000 Einw.; 3) Mosambique mit 13,500 OM. und 286,700 Einw.; 4) Goa mit 223 OM. und 417,000 Einw.; 5) Dilli auf der Sundainsel Timor, 85 OM. und 120,000 Einw.; und 6) Macao mit 41/2 OM. und 38,400 Einw.

Als der südwestliche Theil der pyrenäischen Halbinsel wird Portugal in seinem nördlichen Theile von den Abfällen der galicischen Gebirge erfüllt, die sich bis zur steilen Küfte fortseßen, und in ihren bald engen und felftgen, bald breiten, übrigens reichlich bewässerten Thälern oft äußerst romantische Partien darbieten. Aus dem fruchtbaren Thale des Douro erhebt sich allmälig ein hohes Plateauland, die westliche Fortseßung des castilischen Scheidegebirgs, aus welchem die Sierra Estrella als ein erhöhtes Plateau hervortritt, bald steil und jäh nach der südlichen Tiefebene hinabstürzt und südwestlich in ein romantisches Bergland übergeht, und in einigen Zweigen einen steilen Abfall gegen das Meer bildet. Da, wo der Küstenfluß Vouga in das Meer mündet, ist das Land flach, sandig und voller Sümpfe; der Vouga überschwemmt noch jährlich seine flachen Ufer und verpestet die Luft, ohne daß man durch Anlegung von Kanälen dem Uebel abzuhelfen gedächte. Die Gegend am Küftenfluß Mondego, dessen Quellen auf der Estrella liegen, ist bekannt durch ihre Fruchtbarkeit, woran sie nur die reizende Mündungsgegend des Lego, der erst in Portugal schiffbar wird, übertrifft. Südlich von Estrella folgt die große Ticfebene von Estremadura, welcher westwärts ein fruchtbares Bergland vorgelagert ist, und die in die öden, wafferarmen Haiden von Alemtejo (s. d.) übergeht. Aus diesen steigt allmälig die westlichste Fortseßung des andalußischen Scheidegebirges empor, ein Gebirge, das Alemtejo von Algarbien trennt, und jäh zur niedrigen und sandigen Küstenlandschaft hinabstürzt. Die Guadiana durchbricht dies Gebirge, ist aber ihrer Stromschnellen und Seichtigkeit wegen nur wenige Meilen von ihrer Mündung ins atlantische Meer schiffbar. An größeren Landseen ift P. arm, und von den kleineren, die sich hier und da wohl finden, verdienen die 4 Bergfeen der Estrella Erwähnung. Die vielen Heilquellen des Landes werden schlecht benußt. Das Klima ist südlich - warm und, da die über die ganze Halbinsel verbreitete Hize in Portugal durch Nord- und Seewinde gekühlt wird, angenehmer und milder als im Allges meinen in Spanien. Der Winter ist einem regnerischen Frühlinge im Norden von Europa ähnlich; Schnee liegt nur auf den Gipfeln der Gebirge, und die Linie des ewigen Schnees beginnt erst 10,000 Fuß über der Meeresfläche. Was die Produkte anlangt, hat P. vorzügliche Pferde, Rindvich, Esel, Maulesel, Wölfe, wilde Kazen und Kaninchen, Fische, Scorpione, rothe Rebhühner, Schweine chinesischer Art, viel Federvieh, Bienen, Seidenwürmer, Dammhirsche, Austern, Muscheln, Vipern; im Pflanzenreiche: Getreide aller Art, aber nicht hinreichend für die Bevölkerung, Kartoffeln, Obst, Flachs, Farbepflanzen, schönen Wein, darunter der portugiesische oder Portwein, reiche und schöne Waldungen; im Mineralreiche Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei, Arsenik, Marmor, Bergkrystall, Kalk, Mühl- und Flintensteine, Seefalz, Porzellanerde, Salpeter, Stein- und Braunkohlen.

In Portugal selbst gibts eigentlich nur zwei Concentrationepunkte in Bezug auf die Levölkerung, die Hauptstadt Lissabon mit 200,000 Einw. in den 40 Kirchspielen inner

halb der Stadt und mit 48,000 Einw. in den 32 Kirchspielen auf dem dazu gehörigen Stadtgebiete (Termo) und Oporto, die einzige große Handelsstadt des Landes mit 80,000 Einwohnern. Außerdem zählt man noch 6 Städte zwischen 20,000 und 10,000 Einw., 18 Städte zwischen 10,000 und 3,500 Einw. und 747 Villa's oder Marktflecken, die aber keine Stadtgerechtigkeit besigen und deren Einwohnerzahl sich nie bis zu 3,500 erhebt. Die Stammverschiedenheit der portugiesischen Bevölkerung ist jezt fast von gar keiner Bedeutung; in der Hauptstadt und in den vornehmsten Handelsplägen haben sich Fremde, namentlich Engländer, angestedelt; in den arbeitenden und dienenden Klassen befinden sich ungefähr 50,000 Galicier, Neger und Creolen und seitdem im Jahre 1820 den Juden das Recht eines freien Aufenthalts und einer freien Ausübung ihrer Religion gegeben und dieses auch in den spätern Grundgesezen des Staats anerkannt worden ist, hat sich auch diese Raçe, die im 16. Jahrhundert mit der äußersten Härte verfolgt wurde und bis zur Besegung des Landes durch die Franzosen keinen dauernden Aufenthalt im Lande nehmen durfte, wieder von Neuem angesiedelt, doch zählt die Judenbevölkerung im ganzen Staate noch nicht 3000 Köpfe. Man kann also behaupten, daß eine kirchliche Verschiedenheit in Portugal gar nicht eristirt; die römisch-katholische Kirche herrscht überall vor.

Der innere Verkehr ist seit langer Zeit von der portugiesischen Regierung sehr vernachlässigt worden und diejenigen Maßregeln, welche dieselbe in den neuesten Zeiten zu seiner Hebung ergriffen hat, waren entweder zu übereilt und zu unvorbereitet, um Früchte hervorzubringen, oder vergingen in den schnell aufeinander folgenden Regierungsverändes rungen, ohne daß sie nur zur Ausführung gebracht werden konnten. Dazu kommt die große Schwierigkeit des innern Verkehrs wegen Mangel an gebahnten Straßen, noch immer müssen die Waaren von Saumthieren oder von Menschen transportirt werden, wodurch der Werth der rohen Produkte in den von der Küste entfernteren Ortschaften eines Theils zu gering und andern Theils zu sehr gesteigert wird, um den Absag zu befördern, und der reichste Boden und die werthvollsten Materialien bleiben unbenugt. Man baut gewöhnlich nur so viel als man selbst bedarf, und die Fruchtbarkeit des Landes erfordert nur eine sehr geringe Anstrengung von Seiten der Bewohner, um dieses Ziel zu erreichen. Nur in den Landschaften am Douro wird der Weinbau schwunghaft betrieben. Früher, seit 1756 hatte eine englische Handele compagnie sich an die Spize dieses Geschäfts geftellt, mit einem Privilegium des Königs José Emanuel versehen. Dieses Privilegium wurde zwar durch Dom Petro seit 1826 bedeutend beschränkt und am 30. Mai 1837 gänzlich aufgehoben, aber der Weinbau ist dadurch wenig behindert worden, obgleich in unmittelbarer Folge davon die Ausfuhr des Weins besonders nach England sehr abnahm. Biz 1835 wurden jährlich im Durchschnitt 38,459 Pipen Wein, zu einem Werth von 4,632,903,626 Reis (ungefähr 7,650,000 Thlr.) ausgeführt, von denen 32,536 Pipen nach Großbritannien gingen, im J. 1836 fiel die Aukfubr auf 33,285 Pipen; im Jahre 1837 sogar auf 25,762 Pipen herab, wovon 21,110 Pipen nach Großbritannien, und 268 nach Hamburg gingen; doch flieg ste 1838 wieder auf 37,967 Pipen, wovon 26,057 nach Großbritannien, 7,181 nach Brafflien, 2,628 nach den vereinigten Staaten von Amerika, 803 nach Hamburg gingen; 1839 fiel ste aber wieder auf 33,165 Pipen herab, ist aber in der neuern Zeit wieder gestiegen. Ein anderes, sehr leicht zu gewinnendes Handelsprodukt ist das portugiesische Seefalz, das in den vielen Seefalzgruben in cer Ges gend von Lissabon und in Algarbien gefunden und am haltbarsten zum Ginsalzen erachtet wird, weshalb jährlich gegen 180 000 Moyos oder 2,655,000 Berliner Scheffel ing Ausland gehen. Setuval allein hält 200 kleinere Fahrzeuge, die besonders im Seefalzhandel beschäftigt sind und auch direkt ihr Produkt ins Ausland führen, und das jährlich ausgeführte Salz erreicht den Betrag von 1,500,000 Crusados (über 1,200,000 Thaler).

Die Industrie Portugals Rett noch jezt auf einer sehr niedrigen Stufe; und der Portugiese ist fast gänzlich vom englischen Kunstfleiß abhängig. Jährlich werden allein aus Großbritannien für 1 Mill. Pfo. Sterl. Manufacturwaaren nach portugiestschen Häfen gesandt, wovon die Hälfte für baumwollene Waaren und Garn; so gingen 1836 für

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